Das Geheimnis der Wellen
eine uralte, hochinteressante Form der Selbstbe fragung.«
»Das sind einfach nur Karten.« Er öffnete die Tür zwischen den beiden Läden und betrat eine winzige Diele, aus der eine Treppe nach oben führte.
»Ich muss dir dringend die Karten legen. Du bist viel zu wenig offen für so was, und das als Schriftsteller.«
»Als Anwalt habe ich vor Jahren einen angeblichen Hellseher verteidigt. Der hat seine Kunden um erhebliche Beträge gebracht.«
»Leute, die andere bestehlen, haben keine echte Gabe. Und, hast du den Fall gewonnen?«
»Ja, aber nur, weil seine Kunden offen waren und gleichzeitig sehr, sehr beschränkt.«
Sie versetzte ihm einen Stoß mit dem Ellbogen, musste aber lachen.
Im ersten Stock wiesen Milchglastüren auf einen Anwalt namens Baxter Tremaine, eine Art Bank namens Quikee Kredit, das Büro eines Fernsprechauftragsdienstes sowie auf den Privatdetektiv Kirby Duncan hin.
Duncans Milchglastür war von der Polizei versiegelt worden.
»Ich hatte gehofft, wir könnten uns umschauen.«
»Ein ungelöster Mordfall.« Eli zuckte die Achseln. »Niemand soll den Tatort betreten.«
»Wir können wieder runtergehen und mit der Hellseherin reden. Vielleicht weiß Madame Carlotta mehr.«
Er warf ihr einen belustigten Blick zu und öffnete dann die Tür zum Anwaltsbüro.
Im besenkammergroßen Empfangsbereich saß eine Frau von Ende vierzig, die wie wild auf ihre Computertastatur einhackte.
Sie hielt inne und nahm ihre goldene Lesebrille ab, die ihr an einer geflochtenen Schnur um den Hals hing.
»Guten Morgen. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Wir hätten gern über Kirby Duncan mit Ihnen gesprochen.«
Obwohl ihr höfliches Lächeln ihr Gesicht nicht verließ, musterte sie beide abschätzig.
»Sie sind nicht von der Polizei.«
»Nein, Madam. Wir wollten eigentlich mit Mr. Duncan über eine … äh … Privatangelegenheit sprechen, während wir in Boston sind. Wir haben spontan vorbeigeschaut, in der Hoffnung, dass er uns vielleicht einschieben kann. Und da haben wir das Polizeisiegel an seiner Tür gesehen. Gab es einen Einbruch?«
Ihr Blick blieb abschätzig, aber sie drehte ihren Stuhl so, dass sie sie direkt ansah. »Ja. Die Polizei hat den Tatort noch nicht freigegeben.«
»Wie schade.«
»Ein Grund mehr, nicht in die Stadt zu ziehen«, warf Abra in tiefstem Südstaatenakzent ein. Eli tätschelte nur ihren Arm.
»Wo arbeitet Mr. Duncan? Ich hätte vorher anrufen sollen, konnte aber seine Visitenkarte nicht finden. Aber ich wusste noch, wo die Detektei ist. Vielleicht könnten Sie uns seine Adresse sagen? Oder haben Sie eine Nummer, unter der wir ihn erreichen können?«
»Die dürfte Ihnen nichts nutzen. Mr. Duncan wurde vor einigen Wochen erschossen. Er ist tot.«
»O Gott.« Abra klammerte sich an Elis Arm. »Ich will hier weg. Ich will sofort nach Hause.«
»Nicht in diesen Räumen«, erwiderte die Empfangsdame und fügte mit einem schmallippigen Lächeln hinzu: »Und auch nicht in Boston. Er war irgendwo im Norden, in einem kleinen Ort namens Whiskey Beach.«
»Das ist ja furchtbar, einfach nur furchtbar. Mr. Duncan hat mir sehr geholfen bei …«
»… einer Privatangelegenheit«, ergänzte die Empfangsdame.
»Ja, aber das ist ein paar Jahre her. Er war ein sympathischer Mann, und es tut mir wirklich leid. Sie kannten ihn bestimmt.«
»Natürlich. Kirby hat hin und wieder für meinen Chef gearbeitet. Und für das Kreditbüro von nebenan.«
»Das tut mir wirklich leid«, wiederholte Eli. »Danke für Ihre Hilfe.« Er trat einen Schritt zurück und blieb dann stehen. »Aber Sie sagten, er sei irgendwo im Norden gewesen. Doch eingebrochen wurde hier. Das verstehe ich nicht.«
»Die Polizei ermittelt. Der Mörder scheint etwas gesucht zu haben. Ich weiß nur, dass Kirby meinem Chef erzählt hat, er sei ein paar Tage weg. Und plötzlich sehe ich das Siegel an seiner Tür. Die Polizei wollte wissen, ob mir etwas verdächtig vorgekommen war. Aber das war es nicht, obwohl das bei seinen Klienten schon manchmal vorkam.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Soweit ich informiert bin, wurde in der Mordnacht eingebrochen. So gesehen, wäre ohnehin niemand dagewesen, der etwas hätte beobachten können. Ich kann Ihnen eine andere Detektei empfehlen.«
»Ich will hier weg.« Abra zerrte an Elis Hand. »Lass uns bitte einfach nur heimfahren und dort alles regeln.«
»Einverstanden. Trotzdem danke! Es ist wirklich eine Schande.«
Als sie die Kanzlei verließen, überlegte Eli kurz,
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