Das Geheimnis der Wellen
es in einem der anderen Büros zu versuchen. Aber was hätte das gebracht? Abra schwieg, als sie die Treppe hinunterliefen.
»Du kannst das wirklich gut.«
»Was?«
»Lügen.«
»Ausflüchte machen.«
»Nennen das Anwälte so?«
»Nein, wir nennen es lügen.«
Lachend rempelte sie ihn an. »Keine Ahnung, was ich mir von dem Besuch erwartet habe. Der Einbruch fand also entweder mitten in der Nacht oder am frühen Morgen statt. Niemand hat etwas mitbekommen.«
»Etwas habe ich trotzdem erfahren.«
»Erzähl«, hakte sie nach, als sie wieder im Wagen saßen.
»Wenn wir davon ausgehen, dass Suskind Duncan beauftragt hat, haben wir es mit einem Typen aus der gehobenen Mittelschicht zu tun. Er ist ein Anzugtyp, einer mit Familie und Eigenheim in einem gepflegten Vorort. Einer, der Wert auf Statussymbole legt. Aber als er einen Detektiv beauftragt, nimmt er einen x-beliebigen.«
»Vielleicht wurde er ihm empfohlen.«
»Das wage ich zu bezweifeln. Ich glaube, dass er aus genau zwei Gründen keine Topdetektei wollte. Zum einen, weil es keine sein sollte, die in seinen Kreisen bekannt ist. Zum anderen, und das finde ich noch viel aufschlussreicher, weil er nicht viel Geld ausgeben wollte.«
»Er hat ein Strandhaus gekauft«, wandte Abra ein.
»Das ist seine Investition in einen Sechser im Lotto. Außerdem hat er versucht zu vertuschen, dass er der Eigentümer ist.«
»Weil er weiß, dass die Scheidung bevorsteht. Der Typ ist echt mies«, sagte Abra. »Mit dem Karma dürfte er als Wurm wiedergeboren werden.«
»Für diese Möglichkeit bin ich durchaus offen«, scherzte Eli. »Aber in diesem Leben wird er Ausgaben für einen Scheidungsanwalt haben – und für den geht er bestimmt zu einer Topkanzlei. Dann ist da der Unterhalt für die Kinder und für die Ehefrau. Ich glaube, dass er Duncan bar bezahlt hat, damit nichts aktenkundig wird. Diese Ausgaben würden sonst auftauchen, wenn er den Scheidungsanwälten seine Finanzen offenlegen muss.«
»Trotzdem musste er einbrechen, weil ein Detektiv über seine Mandanten und Einnahmen Buch führt.«
»Es gibt Unterlagen, Dateien, Quittungen, Notizbuchaufzeichnungen, Kundenadressen«, pflichtete Eli ihr bei. »Er wollte nicht als Mandant eines Detektivs auffallen, der mich beschattet und plötzlich tot ist. Irgendwas stinkt da gewaltig.«
»Allerdings.« Abra überlegte. »Er ist vermutlich nie hier gewesen, oder? In Duncans Detektei?«
»Vermutlich nicht. Bestimmt hat er darauf bestanden, sich in einem Café oder einer Bar treffen. Und zwar weder in seinem noch in Duncans Viertel.« Eli hielt vor einem weiteren Gebäude aus Stahl und Ziegeln.
»Hat er da gewohnt?«
»Im zweiten Stock. Keine gute Gegend.«
»Und, was sagt uns das?«
»Dass Duncan keine Angst hatte, da zu wohnen. Weder davor, dass sein Auto geklaut, noch davor, dass er von Nachbarn bedroht werden könnte. Entweder, weil er ein taffer Kerl war, oder, weil er glaubte, die Spielregeln zu kennen. So jemand hat kein Problem damit, sich allein mit seinem Mandanten zu treffen.«
»Willst du ins Haus gehen, mit Nachbarn reden?«
»Das bringt nichts. Das hat die Polizei bestimmt längst erledigt. Suskind ist nur hierhergekommen, um die Wohnung zu durchsuchen. Ansonsten hätte er keinen Grund gehabt, Duncan hier zu treffen. Außerdem hätte ihm dieses Viertel Angst gemacht. Südboston ist nicht gerade seine Kragenweite.«
»Deine auch nicht, Whiskey-Baron.«
»Das ist mein Vater oder meine Schwester, die Baronin. Ich kenne Südboston zwar auch nicht wie meine Westentasche, habe hier aber mal ehrenamtlich gearbeitet.«
»Duncan hat einfach nur seinen Job gemacht«, sagte Abra. »Ich mochte ihn zwar nicht besonders, zumindest nicht die Art, wie er seinen Job gemacht hat. Aber er hat es nicht verdient, deswegen zu sterben.«
»Nein, das ganz bestimmt nicht. Aber vielleicht hat er ja ein gutes Karma.«
»Du meinst, ich soll ein gutes Wort für ihn einlegen? Nun, genau das werde ich tun.«
»Na also. Lass uns Gran besuchen, bevor wir zurückfahren.«
»Würdest du mir vorher das Haus zeigen, in dem du mit Lindsay gewohnt hast?«
»Warum?«
»Damit ich ein Gefühl dafür bekomme, wer du einmal warst.«
Eli zögerte, doch dann dachte er: Warum eigentlich nicht? Warum nicht dorthin zurückkehren, wo alles angefangen hat?
»Gut.«
Es fühlte sich seltsam an, wieder durch diese Straßen zu fahren. Er war nicht mehr im Haus in Back Bay gewesen, seit er dort seine Sachen abgeholt hatte. Anschließend
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