Das Geheimnis der Wellen
morgen Zeit. So ein Blödsinn! Ich wollte die Zange holen und bin falsch abgebogen. Es ist Jahre her, seit ich das letzte Mal im Keller war, und ich bin falsch abgebogen. Als wir Kinder waren, haben wir uns hier immer gegruselt. Das ist der älteste Teil des Hauses. Hören Sie nur!«
Als sie schwieg, hörte sie es ganz deutlich. Das Donnern der Wellen an den Felsen, das Heulen des Windes.
»Das hört sich an wie Menschenstimmen, wie die Stimmen von Toten, zumindest haben wir uns das eingebildet. Als spukten hier die Geister der Piraten herum.«
»Sehen wir zu, dass wir wegkommen, Eli.«
»Ja.« Er führte sie hinaus und blieb kurz stehen, bevor er eine alte Rohrzange aus einem Regal nahm.
»Es ist wegen des Schmucks, Eli«, beharrte sie, als sie sich zum Generator zurücktasteten. »Nur das ergibt einen Sinn. Sie müssen ja nicht an seine Existenz glauben, aber der Einbrecher tut es. Der Legende nach ist er von unschätzbarem Wert. Diamanten, Rubine, Smaragde und Gold. Der Schatz einer Königin.«
»Das Vermögen einer reichen Herzogstochter, um genau zu sein.« Er löste den Tankdeckel mit der Zange. »Ein Vermögen, das bestimmt existiert hat und heute mehrere Millionen wert sein dürfte. Doch es liegt irgendwo auf dem Meeresgrund, zusammen mit dem Schiff, der Mannschaft und der restlichen Beute. Und die Wellen wahren das Ge heimnis.« Er spähte in den Tank, leuchtete hinein. »So trocken wie eine uralte … staubtrocken«, verbesserte er sich selbst. »Bitte entschuldigen Sie.«
»Beinahe wären Sie vulgär geworden.«
Sie hielt die Lampe, während er den Tank füllte, nahm ihr Glas und hielt es ins Licht, während er mit Schaltern und einer Art Messstab hantierte.
Dann drückte er den Einschaltknopf, woraufhin das Gerät rülpste, furzte und hustete. Eli wiederholte den Prozess mehrmals, bis beim dritten Versuch endlich der Funken zündete.
»Es werde Licht«, verkündete sie.
»An einigen sorgfältig ausgewählten Stellen.« Er nahm das Glas, das sie ihm reichte, und streifte dabei ihre Hand. »Meine Güte, Abra, Sie frieren!«
»Seltsam. Wir befinden uns ja auch nur in einem feuchten, unbeheizten Keller.«
»Lassen Sie uns nach oben gehen. Ich mache Feuer im Kamin.« Instinktiv legte er ihr einen Arm um die Schultern.
Und instinktiv schmiegte sie sich an ihn, während sie nach oben gingen.
»Eli? Ich will das eigentlich nicht glauben, aber ist der Einbrecher ein Einheimischer? Er muss gewusst haben, dass Sie nicht zu Hause sind. Sonst hätte er nie gewagt, den Strom abzustellen und einzubrechen. Es war wirklich noch früh, kurz nach halb zehn.«
»Ich kenne die Einheimischen heute nicht mehr so gut wie früher. Aber ich weiß, dass ein Privatdetektiv in einer der Pensionen wohnt. Er dürfte gewusst haben, dass ich weggefahren bin.«
»Er war es nicht, da bin ich mir sicher.«
»Er vielleicht nicht. Aber er arbeitet für jemanden, nicht wahr?«
»Ja. Oder mit jemandem zusammen. Meinen Sie wirklich, er oder sie haben Hester etwas getan?«
»Sie ist mitten in der Nacht nach unten gegangen. Keiner von uns konnte sich erklären, warum. Ich werde der Sache gleich morgen früh nachgehen«, fügte er hinzu, als sie die Küche betraten.
Er legte die Taschenlampe beiseite, stellte das Glas ab und rieb ihre Arme. »In der undurchdringlichen Wildnis ist es kälter, als ich dachte.«
Lachend warf sie ihr Haar zurück und hob ihr Gesicht.
Sie standen dicht beieinander. Sein Rubbeln ging in eine Art Streicheln über.
Abra spürte Schmetterlinge im Bauch. Ein Gefühl, das sie ignoriert hatte, seit sie enthaltsam lebte. Ein angenehmes Prickeln. Sie sah, wie sich seine Augenfarbe änderte, dunkler wurde, und sein Blick zu ihren Lippen wanderte, bevor er ihr wieder in die Augen sah. Magisch angezogen, beugte sie sich vor.
Er trat einen Schritt zurück und ließ die Hände sinken.
»Kein guter Zeitpunkt«, sagte er.
»Tatsächlich?«
»Kein guter Zeitpunkt: der Schock, die Aufregung, der Wein. Ich mache lieber Feuer im Kamin. Dann kannst du dich aufwärmen, bevor ich dich heimbringe.«
»Na gut. Aber sag mir wenigstens, dass es dich Überwindung gekostet hat.«
»Große Überwindung.« Wieder sah er ihr in die Augen. »Verdammt viel Überwindung.«
Immerhin etwas, dachte sie.
Sie nahm noch einen Schluck Wein, obwohl sie sich lieber anders aufgewärmt hätte.
9
Nachdem Kirby Duncan die Tür hinter dem County Deputy geschlossen hatte, ging er schnurstracks auf die Wodkaflasche auf der Fensterbank
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