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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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gesehen, die sich um eine in Decken gehüllte Gestalt drängten. Wenn die regierenden Herren die Sache zu vertuschen wünschen, werden sie es auch ganz bestimmt tun. Ist Ihnen klar, daß übermorgen Examenstag ist? Daß die Studenten morgen erfahren, ob sie ihre Februar-Prüfung bestanden haben oder nicht? Da kommen die Verwandten in hellen Scharen nach Ruffano geströmt, um den siegreichen Kindern zu gratulieren. Das ist wahrhaftig nicht der Augenblick, um einen Skandal zu entfesseln!«
    Ich antwortete nicht. Der Zwischenfall war auf einen denkbar günstigen Zeitpunkt gelegt worden. Die Autoritäten konnten im Grunde gar nichts unternehmen, wenn sie die Studenten nicht en bloc exmatrikulieren wollten.
    »Es gibt nur zwei Möglichkeiten«, fuhr Carla Raspa fort, »entweder handelt es sich um einen Racheakt der Philologen und der Kunststudenten, um eine Retourkutsche für die Beleidigung der Rizzios, oder aber um einen Doppelbluff der WW-Studenten, die ihren Gegnern den schwarzen Peter zuzuschieben hoffen. Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob die Schuldfrage so wichtig ist. Als Studentenstreich war die Sache erstklassig gedreht.«
    »Finden Sie?« fragte ich.
    »Ja, Sie nicht?«
    Ich wußte nicht recht, was mir mehr Unbehagen verursacht hatte: Das gequälte Gesicht von Professor Rizzio, als er im ›Panoramica‹ all seinen Stolz begraben und meinem Bruder die Hand schütteln mußte, oder das Grauen in den Augen von Professor Elia, als er in seiner Nacktheit entdeckt worden war. Beide schienen mir im höchsten Maße mitleiderregend. Beider Nimbus war mit einem Schlag zerstört worden.
    »Nein«, antwortete ich, »schließlich bin ich fremd in Ruffano, und der eine wie der andere Vorfall erfüllt mich einfach mit Abscheu.«
    Sie lachte, drehte das Wagenfenster herunter und warf ihre Zigarette hinaus. Dann griff sie nach meiner Zigarette, warf sie gleichfalls aus dem Fenster, nahm mein Gesicht in ihre Hände und küßte mich.
    »Die Sache ist die, daß Sie eine feste Hand brauchen«, sagte sie. »Ich habe vor Ihnen Examen gemacht. Werden Sie doch mein Schüler!«
    Auf diesen plötzlichen Gefühlsausbruch war ich nicht vorbereitet gewesen. Die aggressiven Lippen, die Beine, die sich um die meinen wickelten, die tastenden Hände – all das kam mir höchst überraschend. Die Attacke, die Giuseppe Fossi gewiß mit Entzücken erfüllt hätte – auf mich wirkte sie nur abstoßend. Wenn für Carla der bewusste Augenblick gekommen war, für mich war er es nicht. Ich drängte sie zurück und verpasste ihr eine Ohrfeige. Sie sah mich verwundert an.
    »Warum so heftig?« fragte sie. Sie war nicht im geringsten beleidigt.
    »Ich finde Liebe im Auto geschmacklos«, erklärte ich ihr.
    »Na schön! Dann können wir ja nach Hause fahren«, erwiderte sie.
    Ich ließ den Wagen wieder an. Bei einer anderen Gelegenheit wäre ich vielleicht amüsiert gewesen, hätte vielleicht sogar Lust verspürt, ihrer Aufforderung zu folgen. An diesem Abend nicht. Ich wußte nur zu gut, daß die Avancen, die sie mir machte, nicht die Folge unserer zufälligen Bekanntschaft oder der unbeschwerten Intimität eines gemeinsam verbrachten Abends waren. Der Ursprung lag ganz woanders: in der Szene, die wir soeben mit angesehen hatten. Ich parkte den Wagen mit Schwung vor Nummer 5. Sie stieg aus, blickte die Straße hinauf und hinunter und sah, daß sie leer war.
    »Halten Sie ein paar Meter weiter oben«, sagte sie. »Mein Nachbar vom zweiten Stock hat den Wagen gern unter seinem Fenster stehen, so daß er ihn sehen kann. Ich gehe schon hinauf.«
    Sie ließ die Haustür hinter sich offen. Ich tat, wie sie gesagt hatte; aber ich folgte Carla Raspa nicht. Statt dessen wanderte ich hinauf zur Via del Sogni.
    Unterwegs fragte ich mich, wie lange sie wohl auf mich warten würde, ob sie vielleicht aus dem Fenster nach dem geparkten Wagen schaute oder noch einmal herunter kam, um hineinzuspähen. Vielleicht ging sie sogar hinüber zu Nummer 24 und fragte bei den Silvanas nach, ob Signor Fabbio zufällig schon nach Hause gekommen und auf sein Zimmer gegangen sei.
    Aber dann dachte ich nicht weiter über sie nach. Ich läutete links am Portiereingang, und nach ein oder zwei Sekunden kam Jacopo zum Vorschein. Ein Lächeln ging über sein Gesicht, als er mich sah.
    »Könnten Sie mir öffnen? Ich möchte gern auf Aldo warten«, sagte ich. »Ich weiß, daß er nicht zu Hause ist, aber ich würde ihn nach seiner Rückkehr gern noch sprechen.«
    »Aber

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