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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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Masse zu schützen suchten. Professor Elia hatte nicht um Hilfe gerufen, weil er sich schämte.
    Und der Zufall wollte es, daß der Mann, der jetzt vor ihm stand, der voller Mitleid, ja voller Angst auf ihn hinabblickte und vor allen anderen dabei war, ihm die Decke umzulegen, die ein hilfsbereiter Mensch herübergeworfen hatte, damit man den nackten Körper verhüllen konnte – der Zufall wollte es, daß dieser Mann Professor Elias großer Rivale war, der Vizepräsident der Universität, Professor Rizzio, dessen Schwester ungefähr achtundvierzig Stunden zuvor aufs schändlichste misshandelt worden war.
    »Bringt ihn in den Wagen«, schrie Aldo, »und schafft mir den Pöbel aus dem Weg!«
    Er und Professor Rizzio halfen dem Opfer auf die Beine. Wir sahen ihn nur sekundenlang ein wenig deutlicher. Es war ein peinlicher Anblick; die häßlichen weißen Glieder, die mit dem struppigen dunklen Haar einen unschönen Kontrast bildeten, die barmherzige Decke, in die ihn schützende Arme gewickelt hatten. Dann führten ihn seine Freunde zum rettenden Wagen, während auf beiden Seiten die Zeugen der Szene eilig zurücktraten. Ich ließ Carla Raspa stehen, die der Rettungsmannschaft nachblickte, und verzog mich hinter einen Baum, wo ich mich übergab. Als ich zurückkam, stand meine Begleiterin schon neben dem Wagen.
    »Los!« rief sie ungeduldig, »hinter ihnen her!«
    Ich blickte über die Piazza. Das Auto, nach dem Aldo geschrien hatte, hielt zum zweiten Mal vor Professor Elias Villa.
    »Wir können doch nicht hineingehen«, protestierte ich, »wir haben da doch gar nichts zu suchen!«
    »Ich meinte auch nicht, daß wir Donati nachfahren sollten«, sagte sie und schwang sich rasch in den Wagen. »Hinter der Bande müssen wir her, hinter den Strolchen, die das Ganze angezettelt haben. Sie können noch nicht sehr weit sein. Schnell, machen Sie schnell!«
    Und wieder hatten die anderen, soweit sie über einen Wagen verfügten, dieselbe Idee. Das Opfer durfte man getrost der Fürsorge seiner Freunde und eines rasch herbeizitierten Arztes überlassen. Jetzt galt es, die Übeltäter zu jagen!
    Von der Piazza Carlo gingen vier Straßen aus. Man hatte die Wahl. Die linke Straße bog nach Westen ein und führte aus der Stadt hinaus. Hielten wir uns rechts, würden wir hinunter zur Porta di Malebranche gelangen und weiter zur Via delle Mura, die um ganz Ruffano herumlief. Die vierte Straße hätte uns zur Piazza Matrice hinaufgebracht.
    Ich bog rechts ein und hörte alsbald einen zweiten Wagen hinter mir. Nachdem wir die Porta passiert hatten, ließ ich ihn vorbeirauschen. Er schoß ostwärts die Via delle Mura entlang. Zwei Studenten rasten auf einer Vespa hinterher. Andere Verfolger hatten sich zweifellos westwärts gewandt, und schließlich würden sich wohl alle beim Mädchenpensionat und dem Studentenheim treffen.
    Ich stoppte den Wagen auf einem der Wälle der Via delle Mura. »Es ist eine ganz sinnlose Jagd«, erklärte ich meiner Begleiterin. »Wer immer die Täter waren – die sind bestimmt längst untergetaucht, und zwar auf die einfachste Art der Welt. Sie brauchten sich nur in den Seitengassen zu verkrümeln und dann, wie alle anderen, zur Piazza Matrice zu bummeln.«
    »Aber sie müssen doch einen Wagen gehabt haben«, wandte Carla ein. »Wie sollten sie Professor Elia sonst aus dem Hause und zum Standbild geschafft haben?«
    »Genau so, wie er wieder zurückgekommen ist, in Decken eingewickelt und einfach abgeschleppt. Die Leute waren alle so beschäftigt damit, vor dem ›Panoramica‹ den Einzug der Gäste zu verfolgen, daß die Piazza Carlo oben auf dem Hügel sicher völlig menschenleer dalag. Die Missetäter vermuteten das und versuchten ihr Glück. Dann riefen sie von Elias Wohnung aus das Hotel an und türmten. Aber man wird sie schon erwischen! Professor Donati muß ja die Polizei alarmieren.«
    »Seien Sie dessen nicht allzu sicher«, sagte Carla Raspa.
    »Wieso nicht?«
    »Dazu braucht er die Einwilligung von Professor Elia«, erwiderte sie, »und dem wird nichts daran liegen, daß seine Nacktvorstellung in der Presse und sonst wo ausposaunt wird, so wenig wie Rizzio Wert darauf gelegt hat, das Attentat auf seine Schwester publik zu machen. Ich wette tausend Lire, daß dieser zweite Streich genauso totgeschwiegen wird wie der erste.«
    »Unmöglich. Es waren viel zu viele Leute da, die alles mit angesehen haben.«
    »Viel zu viele Leute, die gar nichts mit angesehen haben! Sie haben nur ein paar Männer

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