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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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gefährlich ist oder nicht, kann ich nicht sagen«, erklärte ich ihm. »Aber wir müssen weiterfahren, falls sie nicht im Wagen übernachten wollen.«
    Wieder einmal hörte ich ihn in seinem Führer blättern.
    »Wir müssen ja nicht unbedingt nach Ruffano«, meinte er. »Vielleicht wäre es besser, rechts abzubiegen und auf die Küste zuzuhalten.«
    »Dafür ist es zu spät«, erwiderte ich. »Wir fahren nach Ruffano.«
    Es war fast sieben Uhr, als ich von ferne meine Heimat sah.
    Wenn man sich ihr von Rom aus nähert, taucht die Stadt ganz unvermittelt auf. Auf den beiden Hügeln thronend, die Täler in der Tiefe hochmütig beherrschend. Ich konnte mich nicht erinnern, Ruffano je im Schnee gesehen zu haben. Der Anblick war wunderbar, freilich auch einschüchternd, als sollte der verwegene Reisende gewarnt werden: Eintritt nur auf eigene Gefahr. Doch sonst, wie wenig hatte sich alles verändert, dem Himmel sei Dank …
    Herr Turtmann und Frau hatten dem treibenden Schnee zum Trotz die Kameras wieder gezückt und hielten sie am offenen Fenster in Anschlag. Ihnen zuliebe, aber auch aus Stolz auf meine Stadt, bog ich in das Tal direkt unterhalb der Stadtmauern ein, um durch das West-Tor, die Porta di Sangue, das Tor des Blutes, einzufahren.
    »Und es heißt mit vollem Recht so«, pflegte mein Vater zu sagen, »wenn es stimmt, daß Claudio, der erste Herzog, seine Gefangenen auf diesem Wege in den Tod getrieben hat.«
    Schnee säumte die ansteigende Straße, Schnee lag dick auf den Dächern, machte die Bäume zu Gespenstern, krönte die Aufsätze der Zwillingstürme des Palazzo, den Dom und den Campanile gegenüber und verwandelte meine Stadt in ein Märchen, in einen Traum. Ich hatte ganz vergessen, daß es soviel Schönheit auf der Welt gab.
    »Ich hab's«, rief Herr Turtmann aus, als wir das Tor passierten. Die Kameras surrten. Irgendein Herumtreiber, der sich tief in seinen Mantel verkrochen hatte, um sich vor den Flocken zu schützen, machte halt und starrte uns an. Ich fuhr die Via del Martin hinauf zum Stadtzentrum, der Piazza Matrice, und bremste. Nichts war verändert, abgesehen von dem Schnee, der die Stadt zum Verstummen gebracht hatte, indem er ihre Bewohner in die Häuser trieb.
    Die Gebäude, in eine verschwimmende Farbenskala zwischen Ocker und gebrochenem Rosa gekleidet, rahmten die Piazza gleichmäßig ein. Über den Kolonnaden schauten Fenster aus leeren Augen auf das Kopf Steinpflaster herab. Die Läden waren geschlossen. Ich sah die alten Namen wieder. Die Buchhandlung, die Apotheke, es war alles wie einst. Und beherrschend, wie früher, machte sich das schäbige ›Hotel del Duchi‹ breit.
    In meiner Kindheit hatte es für mich ein Fest bedeutet, dort zu essen. Später war das Haus Hauptquartier des Stadtkommandanten geworden, und man durfte nicht mehr hinein. Da hatten dann die Schildwachen in Habachtstellung gestanden oder sich die Füße vertreten. Stabswagen und die Motorräder der Meldefahrer waren aufgefahren, wo ich mich jetzt anschickte, Herrn Turtmanns Volkswagen zu parken.
    »Sind Sie sicher, daß das Hotel geöffnet ist und daß wir hier Zimmer bekommen?« forschte mein Klient mißtrauisch.
    Ich zuckte stumm die Achseln, was nicht sehr höflich war; aber das Wohlbefinden der beiden Herrschaften interessierte mich im Augenblick herzlich wenig, da Gefühle und Erinnerungen, die ich zwanzig Jahre lang unterdrückt hatte, auf mich einstürmten.
    Ich stieß die Hoteltür auf und sah mich um, ohne zu wissen, was ich eigentlich suchte. Das Büro des Kommandanten, das Ticken der Schreibmaschinen oder – den ehemaligen Empfangsraum mit den steiflehnigen Stühlen, auf denen mein Vater und seine Freunde früher nach der Messe ihren Cinzano tranken?
    Ich denke, ich suchte wohl das letztere, und das fand ich auch, das grüßte mich, wiewohl zu einer Art moderner Touristenbar herausgeputzt, mit Ansichtskarten-Ständern, Zeitschriften auf dem Tisch und einem Fernsehapparat in einer Ecke im Hintergrund.
    Es war totenstill. Ich zog eine Glocke, die erschreckend laut losklingelte. Früher pflegten der Besitzer, Signor Longhi, und seine Frau Rosa immer in der Empfangshalle bereitzustehen, um meinen Vater zu begrüßen. Herr Longhi hatte helle Augen, war immer freundlich und hinkte ein bißchen, wenn ich mich recht erinnere. Er war als junger Mann im Ersten Weltkrieg verwundet worden. Rosa, seine Frau, eine lebhafte, rundliche Person, hatte rotes Haar gehabt. Sie und meine Mutter klatschten gern und

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