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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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Antiquitäten aus hauseigener Werkstatt.)
    »Ich werde mich um die Sache kümmern, Madame«, sagte ich.
    Noch eine Kleinigkeit, die Giovannis Schwager auf sich nehmen mußte.
    Zwanzig vor zehn klopfte er an meine Tür. Ich erkannte ihn auf der Stelle wieder. Er gab sich sehr eifrig und redete beachtlich viel und geläufig. Aber ich bezweifelte, daß er Tabletten für quengelige angelsächsische Mägen mit sich herumschleppen und Interesse für das Bloomsche Enkelkind aufbringen würde. Spielte auch keine Rolle. Ein Reiseleiter kann nicht alle Qualitäten haben. Wir setzten uns auf mein ungemachtes Bett.
    Ich zeigte ihm die Abrechnungen und weihte ihn in Fahrplan und Passagierliste ein, indem ich die Mitreisenden charakterisierte. Zwei oder drei Personen nannte ich mit Namen, die Blooms, die Mortons. Auch erwähnte ich Mrs. Taylors Gewohnheit, Schals zu verlieren, und die Schwäche der Lehrerinnen für streunende Katzen.
    »Ach, und noch etwas! Wir haben einen Homosexuellen an Bord. Einen freigelassenen Amerikaner. Passen Sie in Neapel ja auf ihn auf.«
    Giovannis Schwager nickte. Sie wissen eben Bescheid im American Express. »Und damit hätten wir's wohl«, sagte ich.
    Er fragte, ob ich beabsichtige, mich von irgend jemandem speziell zu verabschieden. Ich zögerte. Sang- und klanglos zu verschwinden bedeutete den Verzicht auf etwaige Trinkgelder. Aber besser keinen Aufschub riskieren und keine näheren Fragen.
    »Nein«, sagte ich. »Erzählen Sie ihnen, daß ich ein Telegramm bekommen hätte. Meine Mutter sei erkrankt.«
    »Und der Fahrer?«
    »Ach ja, Beppo … Sagen Sie Beppo, ich sei mit seiner Luciana durchgebrannt.«
    Wir gingen zusammen hinunter. Ich schickte meinen Nachfolger zum Empfang und ließ ihn seinen Status erklären. Dann drückten wir uns die Hand, und ich wünschte ihm eine gute Reise. Ganz hinten im Schreibzimmer sah ich das Morton-Trio. Ich beließ es dabei; ich wollte mit ihren Angelegenheiten nichts mehr zu tun haben.
    Als ich durch die Drehtür auf die Straße schlüpfte, war mir zumute wie einem Kindermädchen, das seine Schützlinge im Stich gelassen hat. Ein seltsames Gefühl. Ich war nie zuvor mitten in einer Reise ausgestiegen.
    Ein Taxi brachte mich zum Büro in der Via del Tritone. Mein erster Blick fiel auf Giovanni, der sein Dienstgesicht aufgesetzt hatte, lauter Lächeln, bezwingende Höflichkeit. Er sprach mit Leuten, in denen ich meine zukünftigen Kunden vermutete. Welcher Nationalität sie angehörten, konnte man unschwer erraten. Sie waren beide im mittleren Alter. Sie waren beide mit Fotoapparaten bewaffnet.
    Er war ein großer, breitschultriger Kerl, mit goldgeränderter Brille und einer Frisur, so borstig wie eine Klosettbürste. Sie wirkte völlig farblos und hatte ihr Haar unter einen Hut gestopft, der eine Nummer zu klein war. Aus unerfindlichen Gründen trug sie weiße Söckchen, die zu ihrem dunklen Mantel in seltsamen Widerspruch standen.
    »Meine Frau und ich fotografieren mit Leidenschaft«, verkündete Herr Turtmann, sobald Giovanni uns vorgestellt hatte. »Und zwar fotografieren wir gern aus der Bewegung heraus, durch die Wagenscheiben. Man hat uns versichert, daß sie fahren können.«
    »Aber selbstverständlich. Wenn Sie wünschen, daß ich fahre …« sagte ich.
    »Ausgezeichnet, dann können wir uns gleich aufmachen. Wir möchten nämlich gern möglichst weit kommen, ehe es dunkel wird. Meine Frau ist nachtblind.«
    Giovanni verbeugte sich mit strahlendem Lächeln. Dann zwinkerte er mir zu: »Ich wünsche eine angenehme Reise.«
    Wir nahmen ein Taxi bis zu dem Platz, wo sie den Volkswagen geparkt hatten. Das Dach des Wagens war mit Türmen von Gepäck beladen, und auch der halbe Rücksitz war belegt. Deutsche reisen niemals mit leichtem Gepäck. Sie sammeln Besitztümer, wo immer sie sind.
    »Setzen Sie sich bitte ans Steuer«, sagte Herr Turtmann. »Meine Frau und ich möchten fotografieren, während wir aus Rom herausfahren. Entscheiden Sie bitte, welche Strecke wir nehmen wollen, nur würden wir gern Spoleto passieren. Der Domplatz dort hat zwei Sterne in meinem Führer.«
    Ich setzte mich am Steuer zurecht. Herr Turtmann nahm neben mir Platz. Seine Frau vertauschte ihren Hut mit einem Kopftuch und packte sich in den Rücksitz. Sie hatten beide eine Schmalfilm-Kamera vor Augen, als wir den Tiber überquerten. Mir klang das Geräusch der sich abspulenden Filme wie Maschinengewehrfeuer in den Ohren, während Herr Turtmann die ganze Zeit befriedigt vor sich

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