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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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auf der östlichen Seite. So konnte sie mich nicht entdecken, ich sie aber im Auge behalten.
    An Aldos Tür tat sie dasselbe, was ich getan hatte, sie läutete. Zugleich, stellte ich fest, warf sie einen Blick auf ihre Uhr. Sie wartete einen Augenblick, schaute über die Schultern zu Jacopos Eingang, machte aber keine Anstalten, bei ihm zu klingeln. Dann wühlte sie in ihrer Tasche, zog einen Brief heraus und schob ihn in den Briefkasten, nicht an Jacopos, sondern an Aldos Tür. Die Art, in der ihre Schultern zusammensanken, verriet ihre ganze Enttäuschung. Dann trat sie wieder hinaus auf die Via del Sogni, und allmählich verklang das Geklapper ihrer hohen Absätze.
    Sie hatte sich mir gegenüber herausgeredet. Sie mußte dies schon im Sinn gehabt haben, als wir den Palazzo Ducale verließen. Vielleicht hatte sie in ihrer Enttäuschung jetzt mehr Appetit auf ihr Süppchen, aber nun mußte sie es schon alleine löffeln. Ich wartete, bis ich sie außer Sicht vermuten konnte, und ging dann meinerseits zur Via San Michele zurück.
    An diesem Abend wagte ich mich in die Privatgemächer der Silvanas vor und gestand, daß ich noch nichts gegessen hatte. Wenn ich irgend etwas ganz Beliebiges bekommen könnte … Die Signora schaltete das Fernsehen ab, erhob sich und war die Gastfreundschaft in Person. Sie nötigte mich in den Speisesaal, und ihr Mann kam hinterher, um mir Gesellschaft zu leisten. Ich erzählte, daß ich in den Palazzo Ducale eingeladen gewesen war, was ihnen offenbar großen Eindruck machte.
    »Werden Sie mitwirken beim Festival?« fragte die Signora.
    »Nein«, sagte ich, »nein, ich glaube kaum.«
    »Aber Sie sollten sich beteiligen«, empfahl sie. »Dieses Festival ist ein Ereignis für Ruffano. Die Leute kommen von weither, um es mitzuerleben. Im letzten Jahr mußten viele wieder abreisen, sie fanden keine Unterkunft und keine Plätze. Wir hatten Glück, mein Mann und ich. Mein Mann konnte uns zwei Plätze auf der Piazza Maggiore sichern, und so sahen wir den ganzen Aufmarsch der Schweizergarde. Das war so wirklichkeitsgetreu, daß ich später immer sagte, man habe sich völlig in jene alten Zeiten versetzt geglaubt. Als mich der Präsident im Ornat des Papstes segnete, war mir, als habe mich der Heilige Vater selbst gesegnet.«
    Während sie erzählte, lief sie geschäftig um mich herum und servierte mir zu essen und zu trinken.
    »Ja«, stimmte ihr Mann ein, »es war einfach prachtvoll. Und es heißt, in diesem Jahr würde es noch besser werden, trotz der Krankheit des Präsidenten. Professor Donati ist ein wirklicher Künstler. Manche sagen, er habe seine eigentliche Chance verpasst. Er hätte Filmregisseur werden sollen, anstatt seine Zeit dem Kunstrat von Ruffano zu opfern. Schließlich ist Ruffano nur eine kleine Stadt.«
    Ich aß und aß, weniger aus Hunger als aus einem Gefühl der Leere heraus. Ich fieberte immer noch vor Aufregung. »Was ist dieser Professor Donati eigentlich für ein Mensch?« fragte ich nebenbei.
    Die Signora lächelte und wagte einen Augenaufschlag.
    »Sie haben ihn heute abend doch gesehen, nicht wahr?« sagte sie, »dann können Sie sich ja vorstellen, welchen Eindruck er auf Frauen macht. Wenn ich halb so alt wäre, wie ich bin, würde ich mich ganz gewiß um ihn bemühen.«
    Ihr Mann lachte. »Es sind seine schwarzen Augen«, sagte er, »er weiß wahrhaftig Kapital daraus zu schlagen, nicht nur den Damen gegenüber, sondern auch bei den städtischen Behörden. Er erreicht alles, was er will. Aber Spaß beiseite – er und der Präsident haben viel für Ruffano getan. Er ist ja auch hier geboren. Sein Vater, Signor Donati, war viele Jahre lang Direktor des Palazzo Ducale, so war er bestens orientiert. Sie müssen wissen, daß er nach der Befreiung zurückkam, nur um zu erfahren, daß sein Vater in einem alliierten Gefangenenlager gestorben war und daß sich seine Mutter mit einem deutschen General abgesetzt und seinen kleinen Bruder mitgenommen hatte; –die ganze Familie sozusagen ausgelöscht. Es braucht schon einigen Schneid, um sich mit so etwas abzufinden. Er ist geblieben. Hat sich ausschließlich für Ruffano eingesetzt, nie nach woanders geschielt. Man kann den Mann nur bewundern.«
    Signora Silvana wollte mir Früchte aufnötigen. Aber ich schüttelte den Kopf.
    »Nur noch Kaffee bitte«, sagte ich und nahm die Zigarette, die der Signore mir anbot.
    »Hat er nie geheiratet?« fragte ich.
    »Nein.«
    »Sie wissen ja, wie so was geht«, sagte die Signora.

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