Das Geheimnis des Felskojoten (German Edition)
riesigen Anlage wie dieser auszubauen«, fügte Shane hinzu.
»Was ist in den Containern, Shane?«, fragte Serena noch einmal und wandte sich wieder der Tür zu. »Wir müssen hier weg, bevor es zu spät ist.«
»Okay, okay. Hier steht, dass die Container nach Calgary geschafft werden«, berichtete Shane. Dann stockte er plötzlich.
»Und?«, bohrte Serena ungeduldig nach.
»Und von dort kommen regelmäßig Lieferungen in Reisebussen hier an«, berichtete Shane leise.
Serena fuhr herum. Eine schlimme Vorahnung stieg in ihr auf. Fabian hatte gesagt, dass IPC in seiner Anlage Experimente an Menschen vornähme.
»Bitte sage mir, dass sie keine Menschen in den Containern und Reisebussen hierher transportieren, Shane«, flüsterte sie, bleich im Gesicht.
Shane blickte auf. »Das kann ich nicht.« Er versuchte, das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken. »Ich habe gerade eine Belegliste der sogenannten Unterkunftsräume gefunden – und die Einzelheiten zu den Bewohnern.«
Serena sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
»Du kommst besser her und siehst es dir selbst an«, meinte Shane. »Ich kann das nicht laut vorlesen.«
Serena kam zögernd zu ihm und blickte auf den Monitor.
»Nummer: 3667. Herkunftsland: China. Geschlecht: männlich. Alter: 25. Eingetroffen: 15.6.2012. Gesundheitszustand: gut. Verwertung: alle Organe geeignet. Anweisungen: Beruhigungsmittel bis zum nächsten Check-up.«
Serena klammerte sich an die Tischplatte.
Shane klickte von einer Datei zur nächsten.
Serena presste fassungslos die Hand vor den Mund. Männer, Frauen, Kinder. Namenlose Objekte. Eingepfercht und unter Drogen gesetzt, bis ihre Nummer an der Reihe war. Lebende Spender für menschliche Organe und andere Körperteile.
Übelkeit überkam Serena, und sie wandte sich ab.
»Wie viele Menschen sind es?«
»Laut Computer sind es zurzeit 302 Personen.«
»302«, hauchte Serena fassungslos. »Gott steh uns bei. Und die Welt denkt, sie hat Menschenversuchen mit der Vernichtung des Naziregimes ein Ende gesetzt.«
»IPC handelt nicht nur zu Forschungszwecken«, stellte Shane fest. »Sieh dir die lange Liste der Abnehmer an und die Preise, die sie zahlen. Mir scheint, als finanziere IPC einen großen Teil seiner Forschungsarbeiten mit illegalem Organhandel.«
»Kein Wunder, dass Fabian da nicht mitmachen konnte«, flüsterte Serena mit tränenunterdrückter Stimme.
»Das ist noch nicht alles«, sagte Shane. »Hier ist eine Aufstellung der Doktoren und Wissenschaftler, die IPC angeheuert hat. Und so wie es aussieht, sind sie nicht alle freiwillig hier.« Er suchte weiter. »Hier haben wir es«, meinte er schließlich. »Eine Auflistung aller aktuellen IPC-Projekte.«
»Nun sag schon«, drängte Serena und spähte erneut in den Flur hinaus. Als sie sich wieder zu Shane umwandte, war seine Miene wie versteinert.
»Shane?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich kann dir die Einzelheiten nicht vorlesen. Es ist zu schrecklich.« Er sah zu ihr auf, und sein Blick verriet seine tiefe Betroffenheit. »IPC arbeitet offenbar sehr eng mit dem Militär zusammen. In dieser Anlage werden verschiedene Verfahren erprobt, um die Transplantation von menschlichen Körperteilen zu perfektionieren. Offiziell heißt es hier, dass die Verfahren bei Menschen eingesetzt werden sollen, die Arme, Beine, Hände und so weiter verloren haben, wie zum Beispiel Soldaten. Aber es scheint mir auch darum zu gehen, Menschen, die eigentlich schon tot sind, zu neuem Leben zu erwecken. Sie arbeiten mit den neuesten Erkenntnissen aus den Gebieten der Neurophysik und der Nanotechnologie, um ihre Ziele zu verwirklichen. Und dazu brauchen sie Wissenschaftler wie Fabian.«
Serena wurde übel. Shane brauchte nichts mehr zu sagen. Sie konnte sich den Rest ausmalen. Die armen Menschen! Sie warteten in ihren Zellen darauf, dass ihnen gesunde Körperteile entfernt oder fremde eingepflanzt wurden – einfach so. Im Namen der Forschung. Sie waren hierher verschleppt worden, wussten nicht, was sie erwartete, bis sie eines Tages in einen Operationsraum gebracht wurden. Und falls sie das Glück hatten, aus ihrer Narkose aufzuwachen, dann fanden sie …
Und Fabian, ihr herzensguter Bruder, hatte bei so etwas mitmachen sollen? Hier unten eingesperrt und zur Arbeit für IPC gezwungen, wie viele der anderen Wissenschaftler, deren Namen Shane im Computer gefunden hatte?
Serena schüttelte den Kopf. Sie wollte keine weiteren Einzelheiten wissen. Sie wollte nur noch fort von diesem
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