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Das Geheimnis des Feuers

Das Geheimnis des Feuers

Titel: Das Geheimnis des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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fühlte eine Mischung aus Verzweiflung und Zorn, wie er noch nie gefühlt hatte. Er dachte daran, dass er Pfarrer war. Er glaubte an Gott.
    Er glaubte an einen Gott, der die Welt, die Tiere und die Menschen geschaffen hatte, Meer und Sonne, Mond und Sterne. An einen Gott, der gut war. Wie war dies hier möglich? Zwei zerrissene arme Kinder, die an einem frühen Morgen auf einem Pfad lagen. Es war, als hätte Rut seine Gedanken gelesen. Sie nahm seine Hand und schüttelte den Kopf.
    Sofia und Maria wurden auf zwei andere Tragen gelegt. Das Krankenhaus war arm, das wusste José-Maria. Dort fehlte es an fast allem, in vielen Krankenbetten gab es nicht einmal Laken. Aber die Krankenschwestern und Ärzte waren tüchtig. Eine der Krankenschwestern hieß Celeste, eine andere Marta. Sie hatten schon viele Menschen gesehen, nachdem Minen explodiert waren. Jetzt sahen sie Sofia und Maria. »Ich weiß, dass man so nicht denken darf«, sagte Marta. »Aber wäre es nicht besser gewesen, wenn diese Kinder hätten sterben dürfen?«
    »Das werden sie wohl«, antwortete Celeste. »Diese Verletzungen können sie nicht überleben.« In dem Augenblick kam ein Arzt mit Namen Raul. Er hatte nicht gehört, was die zwei Krankenschwestern gesagt hatten. Er war jung und er empfand denselben Zorn wie José-Maria, wenn er sah, wie Minen Kinder und Erwachsene zurichteten. Er untersuchte Sofia und Maria nacheinander. Obwohl Maria weniger verletzt zu sein schien, wusste er sofort, dass es um sie viel schlimmer stand. Die Druckwelle der Explosion hatte innere Verletzungen verursacht. Sie blutete von innen im Gegensatz zu dem anderen Mädchen, das einen Fuß verloren hatte und dem die Beine und der Bauch zerfetzt worden waren. Die Mädchen wurden weggerollt, damit er anfangen konnte zu operieren. Er wandte sich an José-Maria, der noch da stand. Rut war schon gegangen, um sich um die Mutter der Mädchen zu kümmern. »Was ist passiert?«, fragte Doktor Raul. José-Maria breitete die Arme aus. »Sie wussten, dass sie den Pfad nicht verlassen dürfen«, sagte er. »Trotzdem ist es passiert.«
    »Es wird passieren, solange die Minen dort liegen«, antwortete Doktor Raul. Er versuchte gar nicht seinen Zorn zu verbergen. »Haben sie eine Chance zu überleben?«, fragte José-Maria. Doktor Raul dachte nach, bevor er antwortete. »Ich weiß es nicht«, sagte er dann. »Vermutlich nicht.«
    »Keine von beiden?«
    »Vielleicht das Mädchen, das seinen Fuß verloren hat. Das andere Mädchen hat schwere innere Verletzungen.«
    Zusammen mit mehreren anderen Ärzten operierte Doktor Raul viele Stunden. Hinterher, als sie müde und verschwitzt waren, wussten sie, dass sie nur noch eins tun konnten: Warten.
    Maria und Sofia lagen in zwei Betten nebeneinander. Es war ganz still im Zimmer. Eine Krankenschwester saß auf einem Stuhl am Fenster. Wieder dämmerte es, die Sonne war dabei, sich über den Horizont und die Dächer der Stadt zu erheben.
    Zwei Ärzte kamen ins Zimmer. Sofia schlief. Aber es war, als ob sie trotzdem merkte, was um sie herum geschah. Sie hörte zwei Männer sprechen. War Papa gekommen? Nein, er war tot, es musste jemand anders sein. Oder hatte sie vielleicht nur alles geträumt? In dieser Nacht waren keine Monster gekommen. Sie wusste es nicht. Sie hörte im Schlaf, wie die beiden Männer miteinander redeten. Sie sprachen leise.
    »Maria werden wir wohl nicht durchbekommen«, sagte die eine Stimme. »Die Verletzungen sind zu schwer. Wir schaffen es nicht, die Infektionen aufzuhalten.«
    »Sie ist stark«, sagte die andere Stimme. »Sie sind beide stark.«
    »Wir müssen abwarten. Das ist alles, was wir tun können.« Sofia hörte, wie die Stimmen verstummten, und dann Schritte, die sich entfernten. Tief unten im Dunkel versuchte sie zu begreifen, was sie gehört hatte. Aber die Schmerzen, die kamen und gingen, trieben sie davon auf dem dunklen unterirdischen Meer. Es war, als ob in ihrem Innern Feuer brannten. Warum tat es so weh? Was war passiert? Sie erinnerte sich nur noch daran, dass sie und Maria auf dem Weg zu den Äckern gewesen waren. Maria hatte ihr weißes Kleid angehabt. Sofia war deswegen böse auf sie gewesen. Sie würde das Kleid auf dem Acker schmutzig machen. Sie waren gelaufen und hatten sich gegenseitig geschubst, daran erinnerte sie sich. Sie hatten gelacht, sich geschubst und waren gelaufen.
    Dann war alles weg.
    Sie schaukelte auf dem dunklen Meer und die Feuer in ihr brannten. Plötzlich war ihr, als riefe Maria nach

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