Das Geheimnis des Feuers
Arme aus. Dann fluchte er. Obwohl er böse aussah, musste Sofia lachen. Ein paar Jungen halfen ihnen das Auto anzuschieben. Sofia fand es komisch, dass ein Arzt, der bestimmt viel Geld hatte, so ein altes, schlechtes Auto fuhr. Aber sie sagte nichts. Doktor Raul saß am Steuer und sang. Hin und wieder rief er anderen Autofahrern etwas zu, wenn er fand, dass sie sich falsch verhielten. Als sie an einer roten Ampel hielten, drehte er sich um und sah sie an. »Heute habe ich frei«, sagte er und lächelte. »Darum kann ich dich nach Hause fahren. Heute bin ich dein privater motorista.«
Sie verließen die Stadt. Sofia sah Äcker, auf denen Frauen gebeugt über ihren Hacken standen. Sie fühlte Sehnsucht danach, wieder Erde an den Händen zu haben. Eigentlich hatte sie Eust mitzusingen, wenn Doktor Raul seine Lieder summte. Aber sie traute sich nicht richtig. Deshalb sang sie lieber innerlich.
Auf einer Hügelkuppe hatten sie eine Reifenpanne. Plötzlich begann das Auto zu rütteln und Doktor Raul lenkte es an den Wegrand. Er stieg aus und ging um das Auto herum. Durch das Autofenster sah Sofia, dass er gegen eins der Hinterräder trat. »Weißt du, wie man bei einem Auto den Reifen wechselt?«, fragte er. »Ich habe keine Ahnung.« Sofia schüttelte den Kopf. Obwohl das Aus- und Einsteigen für sie mühsam war, öffnete sie die Tür. Sie stützte sich mit einer Krücke ab und stieg aus ohne hinzufallen. Währenddessen hatte Doktor Raul angefangen, im Kofferraum nach dem Reservereifen und dem Werkzeug zu suchen, das er brauchte. Sein weißes Hemd war schon schmutzig geworden. »Ich kann Menschen operieren«, sagte er. »Aber ich kann keinen Autoreifen wechseln.«
»Ich kann weder operieren noch Reifen wechseln«, sagte Sofia. Dann hob sie eine Krücke und winkte einem Auto, das gerade an ihnen vorbeifahren wollte. »Was machst du?«, fragte Doktor Raul. »Wenn man mit etwas nicht allein fertig wird, muss man um Hilfe bitten«, sagte Sofia. Sie winkte wieder mit der Krücke.
Ein Auto hielt hinter ihnen an. Ein Mann stieg aus und fragte, was passiert sei. Dann wechselte er den Autoreifen. Sofia guckte interessiert zu. Falls sie noch öfter in Doktor Rauls altem Auto mitfahren würde, war es das Beste, wenn sie lernte, wie man einen kaputten Reifen wechselt. Doktor Raul wollte den Mann bezahlen. Aber der breitete nur die Arme aus und lachte mit seinem schwarzen, verschwitzten Gesicht. »Vielleicht darf ich Sie einmal operieren«, sagte Doktor Raul. »Lieber nicht«, antwortete der Mann erschrocken. »Ich bin nicht krank.« Sofia setzte sich wieder auf den Rücksitz. Der Mann half das Auto anzuschieben.
Bald hatten sie Boane erreicht und bogen von der Hauptstraße ab. Sie überquerten den Fluss Impamputo. Die Brücke war schmal und Doktor Raul musste warten, bis eine Ziegenherde sie passiert hatte. Sofia sah Kinder im Wasser spielen. Ein wenig entfernt stand ein nackter Mann und wusch sich. Beim Brückenkopf waren einige Frauen dabei, Kleider zu waschen. Sofia sah alles, was geschah, und dachte: Das kann ich tun. Das kann ich tun. Und das. Und das. Eigentlich gab es nur zwei Sachen, die sie nie mehr würde tun können: tanzen und rennen. Das machte sie traurig. Vor allem, dass sie nie mehr würde tanzen können. Rennen war nicht so wichtig. Aber niemals mit den anderen Frauen im Kreis stehen und tanzen zu können. Da war noch ein Gedanke in ihrem Kopf, ein Gedanke, den sie fast nicht zu denken wagte. Was würde passieren, wenn sie erwachsen war? Würde es einen Mann geben, der sie heiraten wollte? Obwohl sie künstliche Beine hatte? Obwohl sie nicht tanzen konnte? Würde sie Kinder bekommen? Oder würde sie ihr ganzes Leben kein Kind auf ihren Rücken gebunden tragen? Den Gedanken wollte sie nicht denken. Es war, als ob sie das Schicksal herausforderte sich dem auszusetzen, was sie befürchtete.
Sie hatten den Fluss hinter sich gelassen. Der Weg war jetzt voller Schlaglöcher und sehr schmal. Doktor Raul hatte die Autofensterscheibe hochgekurbelt, damit der aufwirbelnde Staub nicht hereindrang. Sofia dachte daran, dass sie diesen Weg einmal in die entgegengesetzte Richtung gefahren war, ohne dass sie sich daran erinnern konnte. Damals war das Unglück passiert. Sie dachte, dass sie viele Fragen hatte, auf die sie eine Antwort wollte. Es gab noch so viel, was sie nicht wusste. Sie erreichten den Dorfrand.
»Jetzt musst du mir den Weg zeigen«, sagte Doktor Raul. »Hier kenne ich mich nicht aus.« Sofia erklärte ihm,
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