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Das Geheimnis des Feuers

Das Geheimnis des Feuers

Titel: Das Geheimnis des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Schnaps.) getrunken hatte. Er sah sie mit einem so durchdringenden Blick an, dass Sofia die Augen niederschlug.
    »Wer ist das denn?«, fragte er. Sofia sah aus den Augenwinkeln, wie er Lydia zuwinkte, sie solle sich vom Feuer erheben, wo sie kauerte und Essen bereitete. »Das ist meine Tochter Sofia«, antwortete Lydia. Sofia erkannte ihre Stimme nicht wieder. Sie war anders, schwächer. Es war, als ob sie jemand geschlagen hätte. Der Mann machte einen Schritt auf Sofia zu. »Die war das also, die so blöd gewesen ist, auf eine Mine zu treten«, sagte er. Sofia wurde eiskalt. »Und jetzt ist sie wiedergekommen«, sagte der Mann. »Jetzt ist sie hier und will zu essen haben. Mit den Krücken wird sie ihr ganzes Leben gehen müssen.« Der Mann verschwand für einen Augenblick auf der anderen Seite der Hütte. »Kümmre dich nicht darum, was er so redet«, sagte Lydia leise. »Er redet viel, wenn er getrunken hat. Sonst ist er nett.«
    »Ist das mein Stiefvater?«, fragte Sofia. Lydia nickte. Dann kehrte sie eilig ans Feuer zurück, damit das Essen nicht anbrannte. Alfredo guckte vorsichtig aus der Türöffnung der Hütte. Sofia sah, dass er sich vor seinem Stiefvater, Faustinos Vater, fürchtete. Sie bekam immer mehr Magenschmerzen. Warum hatte Lydia einen bösartigen Mann gewählt? Warum hatte er sich nicht gefreut, als er sie sah? Warum hatte er gesagt, sie sei so blöd gewesen, auf die Mine zu treten? Aber sie versuchte auch zu denken, dass es wahr war, was Lydia gesagt hatte. Er war nur bösartig, wenn er Tontonto getrunken hatte. Nur dann fürchtete sich Alfredo vor ihm.
    Aber im tiefsten Innern ahnte sie, dass es nicht so war. Viel später, viele Mondumläufe später, wusste sie, dass sie schon damals, an diesem ersten Abend, erkannt hatte, dass sie hier nicht bleiben würde. Als Lydias neuer Mann plötzlich aus den Schatten auf der Rückseite der Hütte getreten war, hatte sie ihr Zuhause verloren. Lydias neuer Mann wollte Lydia haben, nicht ihre Kinder. Sofia hatte schon früher von Stiefvätern gehört, die die Kinder hinauswerfen, die eine Frau schon vorher hatte. Aber niemals hatte sie sich vorstellen können, dass es auch Lydia passieren könnte. Im nächsten Augenblick schämte sie sich ihrer Gedanken. Vielleicht stimmte trotz allem, was Lydia gesagt hatte. Er war nur bösartig, wenn er Tontonto getrunken hatte.
    Sie aßen schweigend. Alfredo saß so weit vom Feuer entfernt, wie es nur ging. Er versteckte sich in der Dunkelheit an Sofias Seite. Lydia sprach den Mann mit dem Namen Isaias an. Sofia schien es, als fürchtete auch sie sich vor ihm. Sie konnte nicht verstehen, warum Lydia sich für einen Mann entschieden hatte, der ihre Kinder nicht mochte. Einen Mann, vor dem sie sich fürchtete. Sofia erkannte ihre Mutter nicht wieder. Was war mit ihr geschehen? Sie dachte daran, wie Lydia früher gewesen war. Voller Kraft, ständig redend, lachend, tanzend, arbeitend. Jetzt saß sie zusammengesunken da, ihr Gesicht schien geschrumpft zu sein und ihr waren Zähne ausgefallen. Nachdem sie gegessen hatten, ging Isaias ohne ein Wort in die Hütte. Bald darauf war sein Schnarchen zu hören. »Wohnt er hier?«, fragte Sofia. »Er kümmert sich um uns«, antwortete Lydia. »Du musst ihm gehorchen, wie du mir gehorchst.«
    »Was macht er?«, fragte Sofia. »Er hat keine Arbeit«, sagte Lydia. »Aber er sucht sich etwas, womit er Geld verdienen kann.«
    »Wie soll er uns helfen können, wenn er nicht arbeitet?« Sofia merkte, dass sie ihren Zorn und ihre Traurigkeit nicht verbergen konnte. Ihre Freude, wieder zu Hause zu sein, war erloschen. Mit Isaias würde das Leben nur noch schwerer werden. Wie sollte sie einem Mann gehorchen können, der ihr zeigte, dass er sie nicht mochte? »Ich finde, er soll hier nicht wohnen«, sagte Sofia. Lydia wurde böse. »Willst du mir sagen, was ich zu tun habe?«, schrie sie. »Ich habe einen neuen Mann gefunden, wir haben schon ein Kind miteinander und du widersprichst mir.« Dann begann sie zu weinen. Sofia bereute so zu Lydia gesprochen zu haben. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es für Lydia war, so lange ohne Hapakatanda zu leben, und sie beschloss, es trotz allem gut zu finden, dass Isaias von nun an mit ihnen zusammenleben würde.
    Aber Isaias trank jeden Tag. Mehrere Male schlug er Alfredo. Lydia schien immer mehr zu schrumpfen. Aber sie ließ ihn bestimmen. Sofia zwang sich zu denken, alles würde anders werden.
    Einige Wochen vergingen. Sofia hatte die Krücken

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