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Das Geheimnis des Feuers

Das Geheimnis des Feuers

Titel: Das Geheimnis des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Schuhe fertig waren, sprach Sulemane. »Ihre Mutter wird sie eher oder später abholen«, sagte er. »Bis dahin können wir vermutlich gar nichts tun.«
    »Wie lange dauert das?«
    »Eine Woche. Oder einen Monat.«
    »Aber so lange kann sie nicht bei uns wohnen.« Ein neues Problem war entstanden. Sulemane dachte nach, Doktor Raul wartete. »Sie könnte bei meiner Schwester Hermengarda wohnen«, sagte Sulemane schließlich. »Meine Schwester hat zwischen der Kirche und dem Gemüsemarkt ein Haus.« Das ist ein guter Vorschlag, dachte Doktor Raul. Der Markt war gar nicht weit entfernt. Wenn Sulemane sagte, Sofia könnte bei seiner Schwester wohnen, dann war das auch so. »Ich werde natürlich für sie bezahlen«, sagte Doktor Raul. Sulemane gab keine Antwort. Doktor Raul wusste, dass er jetzt darüber nachdachte, wie viel Geld seine Schwester bekommen müsste. Und das würde Sulemane am Morgen danach erhalten. Doktor Raul kehrte in sein Haus zurück und erzählte Dolores, was Sulemane gesagt hatte. »Vielleicht holt sie ihre Tochter ab«, antwortete Dolores. »Hoffentlich hat Sulemane Recht.«
    »Er irrt sich selten«, sagte Doktor Raul.
    Sie gingen schlafen. Bevor sie die Lampen in ihrem Haus löschten, ging Raul in sein Arbeitszimmer. Sofias Kopf war schwarz auf dem weißen Kissen. Eine Weile stand er da und betrachtete sie, während sie schlief. Dann legte er sich in sein eigenes Bett. »Ein sonderbares Mädchen«, sagte Dolores. »Wer ihr begegnet ist, vergisst sie nie«, sagte Doktor Raul. »Ich weiß auch nicht, woher das kommt.«
    Sofia zog zu Sulemanes Schwester Hermengarda. Das Haus war klein und viele Menschen wohnten darin. Für Hermengarda kam es auf eine Person mehr in der Familie auch nicht an. Sie war groß und kräftig und verkaufte lebende Hühner auf dem Markt. Jeden Morgen in der Dämmerung erwachte Sofia von einem mächtigen Gegacker vor dem Haus. Dann stand Hermengarda draußen und feilschte mit den Händlern. Sofia teilte das Bett mit einem Mädchen, das Louisa hieß. In Hermengardas Haus gab es kein Badezimmer. Trotzdem fühlte Sofia sich dort heimischer als bei Doktor Raul. Sie half beim Waschen und Putzen und passte auf die jüngsten Kinder auf. Dabei vergaß sie nicht, an ihre Zukunft zu denken. Sie wohnte nur vorübergehend bei Hermengarda, das durfte sie nicht vergessen. Im tiefsten Innern hoffte sie, dass Lydia bald vor Hermengardas Haus stehen und ihr sagen würde, dass Isaias fort war und sie wieder nach Hause kommen könnte. Aber sie merkte auch, dass sie wütend war auf Lydia. Es war, als ob Lydia sich gegen sie entschieden und einem Mann den Vorzug gegeben hatte, der bösartig war und ihr nie helfen würde. Und sie machte sich Sorgen wegen Alfrede, der ganz allein war. Wenn ich nur Maria hätte, dachte sie, mit der könnte ich reden. Jetzt habe ich nur das Feuer in Hermengardas Herd. Muazena muss mir helfen.
    An einem der ersten Tage fragte Hermengarda, ob Sofia irgendetwas besonders gern tat.
    »Nähen«, antwortete Sofia sofort. Hermengarda nickte. »Das ist gut«, antwortete sie. »Ich will sehen, was ich machen kann.«
    Am nächsten Tag weckte Hermengarda Sofia früh am Morgen, bevor noch die Männer mit den gackernden Hühnern gekommen waren. »Zieh dich an«, sagte sie. »Beeil dich. Eine gute Freundin von mir hat ein Nähatelier. Sie hat mir versprochen, dass du zeigen darfst, was du kannst. Wenn sie feststellt, du bist tüchtig, dann darfst du bei ihr arbeiten. Du bekommst nichts bezahlt. Aber du wirst etwas lernen. Das ist wichtiger als Geld.« Sofia befestigte die Beine und zog sich an, so schnell sie konnte.
    Hermengarda, die immer viel zu tun hatte, wartete schon ungeduldig auf der Straße. Als Sofia fertig war, machten sie sich eilig auf den Weg. Hermengarda ging so schnell, dass Sofia mit ihren Krücken fast laufen musste. Aber es war nicht weit. Bald blieb Hermengarda vor einem kleinen Haus stehen, das versteckt in einem verwilderten Garten lag. Das Haus war verfallen, die Dachrinnen waren abgefallen und die Steintreppe hatte Risse. Die Tür stand offen und Hermengarda rief nach einer Fatima. Eine Frau, genauso schwarz und genauso dick wie Hermengarda, kam hinaus auf die Treppe.
    »Hier bringe ich dir Sofia«, sagte Hermengarda. »Ich hab keine Zeit zu bleiben.«
    Dann wandte sie sich an Sofia. »Du findest doch heute Nachmittag allein nach Hause, oder?« Sofia glaubte, sie würde es schaffen.
    Hermengarda verschwand und Sofia war allein mit Fatima, die auf der Treppe

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