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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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sein, die sie als meine Gefährtin kennen und in dem Bild wiedererkennen werden«, überlegte er. »Aber was den Rest der Gäste betrifft - vielleicht wäre es wirklich ratsam, wenn sie keine allzu große Aufmerksamkeit auf sich zöge.«
    Ich dachte einen Moment nach. Für gewöhnlich gebot es mir meine Eitelkeit, mein Haar wie einen goldenen Wasserfall über meinen Rücken fließen zu lassen, doch je näher die Stunde der Hochzeit rückte, desto stärker wurde das Kribbeln in meinem Magen, und meine immer angespannteren Nerven rieten mir, so wenig aufzufallen wie möglich.
    »Also gut.« Ich deutete auf den Goldstoff. »Ich werde meine Haare nach türkischer Art binden - das ist im Moment höchste Mode.« Die darin liegende Ironie entlockte mir ein Lächeln. Laut den Erzählungen des Herbalisten hatten wir alle vor kurzem noch in Furcht vor den barbarischen Türken gelebt, und jetzt trugen die Edelfrauen von Florenz stolz den Kopfputz der Ungläubigen zur Schau.
    Ich wand mir den Stoff um mein Haar, bis es vollständig bedeckt war. Ohne die mein Gesicht umrahmenden Locken kam ich mir seltsam nackt vor. Ich präsentierte mich Bruder Guido, um seine Meinung zu hören, und sah einen bewundernden und zugleich faszinierten Ausdruck in seine Augen treten.
    »Es ist erstaunlich«, murmelte er. »Ihr seid nicht weniger schön als zuvor, aber ohne Eure Haarpracht seid Ihr eine ganz andere Frau. Keiner der Gäste wird Euch als Flora erkennen, außer natürlich Don Ferrante, seine Königin und...«

    Er brach abrupt ab.
    »Und?«
    »Ach, nichts weiter«, winkte er ab. Ich wusste, dass er mir auswich, aber ehe ich ihn fragen konnte, was er mir verschwieg, wandte er sich an seinen Mitbruder.
    »Eines noch, Bruder. Kennt Ihr einen Mann, einen Florentiner, der in den Gewändern eines Aussätzigen umhergeht?«
    »Davon kenne ich leider viele.«
    »Er unterscheidet sich von der gewöhnlichen Aussätzigenschar; er ist auffallend hoch gewachsen, hat eine verkrüppelte Hand und eigenartig silbrige Augen.«
    Allein die Beschreibung der unheimlichen Kreatur jagte mir einen Schauer über den Rücken. Und nicht nur mir. Auch Bruder Nikodemus zuckte merklich zusammen. »Ihr habt ihn gesehen?«
    »Dreimal bis jetzt. Ihr kennt ihn?«
    »Nicht gut. Ich bin ihm nur einmal begegnet, vor vielen Jahren. Er suchte Hilfe und hatte von meinen Künsten als Kräuterkundiger und Heiler gehört«, sagte er ohne jeden Anflug von Prahlerei. »Ich musste ihn fortschicken, seine Krankheit war schon zu weit fortgeschritten; ich konnte ihm nicht mehr helfen. Danach habe ich ihn nie mehr gesehen. Ich dachte, er wäre mittlerweile gestorben, eine Legende, mit der man Kinder erschreckt. Sein Name lautet Cyriax Melanchthon.«
    Der Name war genauso abstoßend wie die Kreatur selbst.
    »Wer... Was ist er?«
    »Cyriax ist der Sohn einer florentinischen Mutter und eines flämischen Vaters. Als ganz junger Mann trat er in den Dominikanerorden ein und schlug dort einen sehr harten Kurs ein - er war einige Jahre Mitglied des heiligen Offlziums.«
    Ich sah, wie Bruder Guido schluckte.
    »Was ist das?«, fragte ich leise.
    »Die Inquisition«, entgegnete Bruder Nikodemus knapp. Jetzt schluckte ich gleichfalls. Sogar ich hatte schon von der
Inquisition, ihren grässlichen Foltermethoden und den Verbrennungen von Ketzern und Ungläubigen gehört.
    »Er wurde der Beichtvater der Familie Medici...«
    »... und arbeitet jetzt für Lorenzo di Pierfrancesco!«, schloss ich. Bruder Guido brachte mich mit einem Blick zum Schweigen, denn der alte Mönch war noch nicht fertig.
    »Nach dem Frieden von Otranto reiste er auf ihr Geheiß mit einer florentinischen Delegation ins Heilige Land. Dort begann das Unheil: Er erkrankte an Lepra und siechte rasch dahin. Es heißt, er habe sich in der Grabeskirche in Jerusalem seine Dominikanerkutte vom Leib gerissen und Gott verflucht. Sein nacktes, verrottendes Fleisch bot einen so schauerlichen Anblick, dass sich der Himmel an diesem Tag verdunkelte, sagt man. Er verbrannte seine Kutte auf dem Grabmal, legte Δussätzigenkleidung an und fungiert seither als Werkzeug des Teufels.«
    »Und die Medici haben ihn trotzdem in ihren Diensten behalten?«, hakte Bruder Guido ungläubig nach. Selbst ein Mann, der an der Kirche zu zweifeln begonnen hatte, konnte angesichts des Frevels, Gott in der heiligsten Kirche des Christentums zu verfluchen, nichts als Entsetzen empfinden.
    »Nicht offiziell«, erwiderte Bruder Nikodemus. »Es steht fest, dass er

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