Das Geheimnis des goldenen Salamanders (German Edition)
gelandet.«
»Seltsame Geschichte mit diesem Salamander«, meinte Will immer noch außer Puste. »Das Mädchen in den Jungenklamotten hat uns im Keller davon erzählt.«
Automatisch tastete Jack wieder nach dem Beutel unter seinem Hemd. »Ist nicht unser Problem«, meinte er schnell. »Auf jeden Fall müssen wir ruck, zuck was unternehmen, jetzt wo wir wissen, was die Kerle planen.«
Kit nickte. »Ich kann es immer noch nicht fassen. Sammeln Kinder in den Straßen der Stadt ein und schicken sie in die Neue Welt, um sie dort gegen Tabak einzutauschen. Oder hab ich da was falsch verstanden? Denen werden wir die Suppe ordentlich versalzen.«
»Und wie sollen wir das auf die Schnelle tun?«, fragte Will zweifelnd. »Ihr wisst doch selber, dass es in London massenweise Schiffe gibt, und sie wollen schon morgen lossegeln.«
»Ist kein Problem. Ich ...« Jack hielt inne. Ein Mann, der aus dem Seitenausgang des Theaters getreten war, war vor ihm stehen geblieben, lüftete seinen Hut und verbeugte sich.
»Einen wunderschönen guten Tag, die Herrschaften.«
Will und Kit warfen sich einen fragenden Blick zu. Waswollte dieser Mann in der seidenen Weste, dem Spitzenkragen und dem Perlenohrring von ihnen? Doch Jack hatte ihn gleich wiedererkannt. Es war der feine Herr, den er bei den Irren in Bedlam getroffen hatte. Heute trug er ein modisches Cape über einer bestickten Weste, das er lässig über seine linke Schulter geworfen hatte. Jack nickte ihm artig zu.
»London ist tatsächlich ein Dorf«, meinte der Mann. »Hast du deinen Bruder inzwischen gefunden?«
Jack schüttelte den Kopf. »Nein, aber wir sind ihm dicht auf der Spur.«
»Na, dann weiterhin viel Glück.« Er strich sich die welligen, gepflegten Haare mit der Hand hinter die Ohren und setzte seinen Hut auf. Im Weitergehen murmelte er leise vor sich hin. »Verschwundene Kinder. Vielleicht sollte ich darüber mal ein Stück schreiben.«
»Und?«, forderte Kit Jack auf, nachdem der Mann gegangen war. »Du sagtest, es sei kein Problem. Wieso?«
»Ich kenn den Kapitän«, verkündete Jack endlich.
»Du kennst den Kerl? Echt? Wie heißt sein Schiff und wo liegt es vor Anker?«
»Das weiß ich nicht, aber ich hab ’ne Idee, wo ich’s rausfinden kann.«
Dann teilte er den beiden Jungen mit, woher er den Kapitän kannte und dass er ganz einfach Moll nach dem Namen des Schiffs fragen konnte.
»Menschenskinder! Das sind ja endlich mal gute Nachrichten!« Kit schlug Jack anerkennend auf die Schulter. »Dann ziehst du am besten gleich los und sprichst mit der Alten. Kurz nach Mittag treffen wir uns dann in der Pepper Alley. Dann arbeiten wir ’nen Plan aus, wie wir die Kinder befreienkönnen. Und vergiss nicht wieder, Maggie mitzubringen.« Er zwinkerte ihm verschmitzt zu.
»Na, dann bis später«, meinte Jack. Er hob die Hand zum Gruß und rannte los. Mit etwas Glück würde er Moll zu Hause antreffen. Doch als er wenig später in der Gasse vor dem Pfandhaus ankam, hatte er plötzlich ein ungutes Gefühl. Guy stand hämisch grinsend vor der Ladentür. Das konnte nichts Gutes bedeuten.
»Moll will mit dir sprechen«, erklärte er. »Sie wartet in der Küche auf dich.«
Der Häscher
Samstag, 14. September 1619
Alyss hatte keine Ahnung, wie lange sie geschlafen hatte und welche Tageszeit es war. Auf dem Deck oben war es immer noch ruhig. Nur die Schiffsratten huschten über den Boden, die Planken knarrten und die Wellen plätscherten beharrlich gegen die Schiffswand. Wenigstens schien das Schiff immer noch im Hafen oder an einem der Kais am Flussufer vor Anker zu liegen, denn es schlingerte nur sanft. Doch dann erwachte alles langsam wieder zum Leben. Über ihren Köpfen, auf dem Zwischendeck, ertönten Schritte und laute Stimmen und von draußen drangen die Rufe der Schiffer und Möwengeschrei in den Schiffsbauch.
Alyss hatte wieder ihren Traum geträumt. Das Schiff ihres Vaters auf den haushohen Wellen, die dunklen Wolken, der Sturm und der Vater, der ihr zuwinkte. Doch heute war der Albtraum noch unerträglicher als sonst gewesen. Sie hatte das Gesicht ihres Vaters nicht erkennen können. Statt des vertrauten, wettergegerbten Antlitzes hatte sie nur eine verschwommene Fläche gesehen. Das Entsetzlichste daran war, dass siesich, nachdem sie aufgewacht war, nicht mehr an das Gesicht ihres Vaters erinnern konnte. Sosehr sie auch versuchte, sich seine Gesichtszüge ins Gedächtnis zu rufen, konnte sie doch immer nur einen Flecken sehen, als hätte jemand mit
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