Das Geheimnis des Highlanders (German Edition)
Dienstmädchen, Waschfrauen oder Weberinnen arbeiteten, hörten augenblicklich mit ihren Tätigkeiten auf, sobald sie ihn entdeckten und er sie einfach nur ansah. Sprach er sie sogar an, dann waren sie für den Rest des Tages zu nichts mehr zu gebrauchen.
Auch wenn er Nara allem Anschein nach treu war, zog er Frauen an wie Honig die Bienen. Irgendwann wurde Jocelyn klar, dass er Frauen einfach mochte, und das zeigte sich deutlich in seinem Verhalten. Sie hatte Connor darüber klagen gehört, dass Rurik nur glücklich war, wenn er kämpfen oder verführen konnte, und das stimmte auch. Die Attacken auf Connor, wenn er unaufmerksam war, und die im Dorf verbrachten Nächte waren Beweis genug.
Jocelyn konnte Rurik wegen dessen Loyalität gegenüber dem Laird leiden, und es gefiel ihr, wie er sich ihr gegenüber verhielt – stets direkt und unverblümt, aber auch immer um ihr Wohl besorgt. Stets kam er ihr zu Hilfe, wenn sie ihn nötig hatte. Manchmal glaubte sie, es war ihre eigene Einstellung gegenüber Rurik, die Rhona dazu veranlasste, ihn aus tiefstem Herzen zu verabscheuen.
Was sie über sich selbst herausfand, kam ungewollt zutage, als sie mit Rhona über die Auswahl der Stoffe für ein neues Gewand diskutierte.
„Jocelyn, du solltest dir diese Muster hier drüben ansehen. Dieses Blau würde sehr gut zu deiner Haut passen.“
Sie nahm den besagten Stoff in die Hand, aber der war ihren Vorstellungen von Schönheit zufolge – die das genaue Gegenteil von Rhonas ästhetischen Empfindungen waren – zu schwer und zu reichhaltig verziert. Jocelyn griff nach einem dunkelbraunen Stoff und entschied sich für ihn. Mit einem Hemd in einem helleren Braun würde es warm genug und zweckmäßig sein. Rhona lachte, als sie ihn weglegte und wieder zur Nadel griff.
„Du musst schon einen besseren Geschmack entwickeln, Jocelyn. Bei Stoffen genauso wie beim Wein und bei den Speisen. Der Hof des Königs ist ein Ort der Vornehmheit und Kultur, selbst wenn dieser wegen seiner Gefangenschaft in London selbst nicht anwesend ist.“
Rhona hatte viele Geschichten über ihre früheren Besuche am Hofe König Davids II. in Edinburgh zum Besten gegeben, als sie dort einige Zeit nach Kennas Tod verbrachte.
„Da ich nicht davon ausgehe, jemals einen solchen Ort zu beehren oder so wie du sogar dort zu leben, glaube ich, dass mein Geschmack genügt.“
„Als Countess of Douran wirst du öfter an den Hof reisen, als dir lieb ist, Jocelyn. Da ist es sinnvoll, wenn du dir jetzt aneignest, was man von dir erwartet.“
Bei diesen Worten zog sie zu fest an der Sticknadel, sodass der Faden riss. Tante Jean stieß einen erschreckten Schrei aus, so wie auch Cora und die anderen Dienstmädchen, die sich um sie drei Frauen kümmerten. „Rhona!“, rief Connors Tante. „Du hast kein Recht, darüber zu reden.“
„Jocelyn weiß doch sicher längst darüber Bescheid, oder nicht?“ Rhona zog einen Knoten durch den Stich, den sie soeben gemacht hatte, und durchtrennte den Faden mit den Zähnen. „Schließlich sind wir hergekommen, um dich auf deine Rolle als Countess vorzubereiten, damit aus dir die Frau wird, die Connor braucht.“
Countess? Douran? Davon wusste sie nichts, aber nach den Blicken zu urteilen, die Rhona und Jean sich gegenseitig zuwarfen, musste es stimmen. „Das ist mir nicht bekannt.“ Kopfschüttelnd fragte sie: „Warum sollte der Laird so etwas vor mir verheimlichen?“
„Jocelyn, sprich mit deinem Mann, er wird dir alles erklären.“ Tante Jean versuchte beschwichtigend einzulenken.
„Mach ihm dieses Versäumnis bloß nicht zum Vorwurf.“ Rhona machte aus ihrer Meinung keinen Hehl mehr. „Er mag Kenna seine Liebe gegeben haben, aber schließlich macht er dich zu seiner Countess. Immerhin könnte dein Titel länger Bestand haben als seine Liebe zu ihr.“
Mit einem energischen Zischen setzte Tante Jean der Diskussion über Connor und Kenna ein Ende. Rhona sah sie mit großen Augen an und tat so, als sei das alles nur ein Versehen. Doch Jocelyn wollte nicht glauben, dass ihr die Wirkung solcher Worte nicht bewusst sein sollte.
Connors Liebe zu seiner ersten Frau wurde ihr immer wieder vorgehalten. Rhona hatte nie einen Moment gezögert, über solche Dinge zu reden, wenn sie allein waren. Was hatte sie gesagt? Sie sei ein Musterbeispiel weiblicher Tugenden und Fähigkeiten gewesen. Noch schöner als sie selbst. Eine Frau, die von jedem aus dem MacLerie-Clan geliebt wurde, vor allem vom gegenwärtigen Laird.
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