Das Geheimnis des Himmels
draußen.
Der Graf wandte sich an seinen Diener: „Na, Christian, da hat der Mensch aber auf einmal Kreide gefressen, was?“
Christian nickte nur stumm.
36
Elisabeth versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Nicht nur von Leonhard hatte sie keine Nachricht mehr erhalten, auch Einhard Auerbach hatte auf ihre Anfrage nicht geantwortet. Was war passiert? Sie spürte, dass sie handeln musste. Dabei kämpfte sie mit Ihrer Verantwortung den Kindern gegenüber, die sie nicht schutzlos allein lassen konnte, und ihrem Willen, Leonhard zu helfen – wenn er überhaupt noch lebte. Sie wusste allerdings nicht, wie das möglich wäre.
Sie brauchte Zeit, aber die hatte sie nicht. Täglich verbrachte sie mehrere Stunden mit der Erziehung von Töchtern aus gutem Hause – ein Dienst, der sie zu ihrer Überraschung beliebtund unabkömmlich gemacht hatte. Jetzt schon um Urlaub zu bitten, schien ihr zu verwegen.
Ein zaghaftes Klopfen an der Tür unterbrach ihre Gedanken.
„Ja bitte?“
Die Tür wurde geöffnet und Friedrich von der Aue trat herein.
„Friedrich! Wie schön, dich zu sehen!“ Elisabeths Miene hellte sich auf. Seit der Verlobung mit Barbara waren sie zum vertrauten Du übergegangen. „Wie hast du hierher gefunden?“
Zögernd, aber froh, seine künftige Schwiegermutter gefunden zu haben, begann Friedrich zu reden: „Man hat mir in Strehla unsanft zu verstehen gegeben, dass ihr nicht mehr dort seid. Ich gestehe, schon der Verzweiflung nahe gewesen zu sein. Als letzte Hoffnung blieb mir deine Schwester in Leipzig. Leonhard hatte mir berichtet, dass ihr dort schon einmal Zuflucht gefunden hattet. So habe ich sie aufgesucht. Nachdem ich sie überzeugen konnte, in guter Absicht zu euch unterwegs zu sein, hat sie mir euren Aufenthaltsort verraten. Sehr weit wohnt ihr ja nicht auseinander. Bitte richte deiner Schwester bei deiner nächsten Begegnung mit ihr aus, dass sie richtig gehandelt hat.“
„Ja, das werde ich gerne tun. Was gibt es für Neuigkeiten?“
Friedrich berichtete ausführlich vom Stand der Dinge und beschönigte auch nicht das Zerwürfnis mit seinem Vater.
„So ist der liebe Auerbach auch verschwunden – und du bist plötzlich enterbt und kein Student mehr?“
„So ist es. Nun bin ich als Schwiegersohn keine gute Partie mehr.“
„Du solltest mich kennen und, verzeih mir, nicht so töricht reden. Wenn Barbara mit dir glücklich ist, dann wird sie es auch ohne viel Geld oder eine gehobene Stellung sein. Aber geh doch eine Kammer weiter … Du wirst dort sicherlich schon erwartet. Und ich bitte dich heute Abend noch um ein Gespräch, denn ich brauche deinen Rat.“
„Ich soll dir raten? Das dürfte mir gegenüber der klügsten Frau, der ich je begegnet bin, schwerfallen.“
„Geh nur zu Barbara! Auch die anderen werden sich freuen, dich zu sehen.“
Elisabeth hatte Mühe, sich Friedrichs Charme zu entziehen. Er sollte nicht merken, wie gut ihr die kleine Schmeichelei gerade jetzt tat.
Nach dem gemeinsamen Abendbrot bat Elisabeth Friedrich und Barbara zu sich in die Kammer.
„Gestatte mir die Frage, wovon du jetzt zu leben gedenkst.“
„Mutter!“ Barbara war es peinlich, wenn Friedrich so examiniert wurde.
„Lass nur gut sein, Barbara. Deine Mutter hatte mir vorhin versichert, dass ihr ein vermögender Schwiegersohn nicht so wichtig ist.“
Elisabeth hob amüsiert ihre Stimme: „Ich frage auch nicht aus Besorgnis um meine Tochter, sondern weil ich in Erfahrung bringen möchte, ob du es dir leisten kannst, mir einige Tage zu Diensten zu sein.“
Barbara hielt sich erschreckt die Hand vor den Mund. Auch Friedrich wusste einen Moment lang nichts zu erwidern, so sehr hatte Elisabeth ihn verblüfft.
„Keine Angst, ich will nicht seine Qualitäten als Ehemann testen. Ich habe ein heikles Unterfangen vor und benötige dazu die Unterstützung meiner Töchter und die handfeste Hilfe meines zukünftigen Schwiegersohnes.“
Friedrich hatte sich als Erster wieder gefasst. „Selbstverständlich wird es mir eine Freude sein, dir meine Hilfe anzubieten. Allerdings habe ich im Moment selbst einige Schwierigkeiten, mein Leben neu zu ordnen. Aber das kann auch warten. Vielleicht fängt die neue Ordnung ja jetzt bereits an? Um auf deine Eingangsfrage zurückzukommen: Ich habe meinen Bestand an Büchern zur Jurisprudenz veräußert. Dabei ist ein nettesSümmchen zusammengekommen. Ich war selbst verblüfft, was mein bisheriges Studium gekostet hat. So werde ich mich wohl erst in ein paar Wochen
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