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Das Geheimnis des Himmels

Das Geheimnis des Himmels

Titel: Das Geheimnis des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Schoch
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Betrachtung des freien Willens.“
    „Das musst du mir einmal näher erklären, doch nicht jetzt. Wenn es aber so ist, dass selbst du, ein engagierter Gegner der Wittenberger, das Lager wechselst – oder sagen wir, dass du die eigene Position infrage zu stellen bereit bist –, dann wird etwas dran sein! Leonhard, wenn sich die Dinge so verhalten, kann einem schwindlig werden.“ Auerbach schwankte tatsächlich etwas und musste sich am Tisch abstützen.
    „Was ist mit dir?“, fragte Bernhardi besorgt.
    „Es ist nicht nur die eine Sache, es ist nicht nur die eine Sache“, stammelte Auerbach, seine Worte wiederholend, vor sich hin. „Unsere Welt verändert sich. Wir verlieren die Einheit im Glauben, wir verlieren die bisher bekannten Grenzen unserer Welt. Seitdem Kolumbus einen neuen Kontinent entdeckt hat, der Florentiner Amerigo Vespucci uns eine Vorstellung von der tatsächlichen Größe eines Teils der neuen Welt vermittelt hat, wird alles noch viel mehr durcheinandergewirbelt. Und dann das.“
    „Was denn noch?“, fragte Bernhardi verblüfft zurück, als gäbe es noch etwas, das aus den Angeln gehoben werden könnte.
    Auerbach wankte zu einem seiner Bücherstapel. Er suchte kurz und zog dann ein kleines dünnes Heft heraus. Es war keingedruckter Text, sondern eine Handschrift. „Das hier wollte ich dir zeigen, nach unserem letzten Gespräch.“
    Bernhardi nahm das Heft in die Hand und überflog den Titel.
Nicolai Copernici: De Hypothesibus Motuum Coelestium A Se Constituis Commentariolus
.
    „Eine kleine Abhandlung über die Erklärungsgrundlagen der Bewegungen am Himmel, von ihm selber aufgestellt“, übersetzte Bernhardi. „Was ist denn daran so ungewöhnlich? Du lehrst doch auch Astronomie und weißt über die Erklärung von Himmelsbewegungen Bescheid?“, gab er in Richtung Auerbach weiter.
    „Lies weiter!“ Auerbachs Worte klangen wie ein Befehl.
    Bernhardi las weiter. Auch wenn er nicht alles verstand, so war ihm doch klar, dass hier jemand den Versuch unternommen hatte, die stillstehende Erde zu bewegen und die bewegte Sonne stillstehen zu lassen. Nach einiger Zeit gab er Auerbach das Buch zurück.
    „Was ist das Gefährliche an diesem Werk?“
    „Zwei Dinge. Zum einen verbannt dieser Kopernikus die Erde aus dem Mittelpunkt der Welt. Er macht das mit einer äußerst effizienten Methode, indem er die vielfältigen Erscheinungen der Himmelskörper einfacher erklärt als bisher – und zwar auf mathematischer Grundlage. Wie du dich sicher erinnern wirst, hat bereits Wilhelm von Occham den Satz aufgestellt, dass von zwei Erklärungen eines Phänomens fast immer die einfachere Erklärung die richtigere ist. Was folgt daraus? Genau! Und jetzt kommt das Zweite. Angenommen, Kopernikus hat recht – sicher ist es ja noch nicht, er schreibt ja selbst, dass er ein exakter begründendes Werk noch erstellen will –, also angenommen, dass es sich so verhielte: Was hätte das für Folgen? Es hätte zur Folge, dass unser menschliches Dasein aus der Mitte der Welt genommen wäre. Dann ließe sich auch nicht erklären, warum die Erlösungstat Gottes in Christus aneiner völlig unbedeutenden Stelle der Welt stattgefunden haben soll. Die Erlösung wäre also nicht mehr als Endzweck des Ganzen zu begreifen … Verstehst du das?“
    Auerbach war ganz gegen seine Art lauter geworden. Bernhardi erlebte ihn zum ersten Mal derart aufgelöst.
    „Und es hätte zur Folge, dass wir unseren Augen nicht mehr trauen könnten, wenn gegen allen Augenschein die Erde sich bewegte und der Himmel stillstünde“, ergänzte Bernhardi trocken. „Sei beruhigt, lieber Einhard, so weit sind wir noch nicht. Das muss ja erst noch bewiesen werden, und daran scheint dieser Kopernikus noch zu arbeiten. Es wird nicht einfach sein, gegen die allgemeinen Überzeugungen der Wissenschaft und der Kirche solche Beweise zu erbringen.“ Jetzt lächelte Bernhardi sogar. „Ich verstehe zwar nicht so viel von der Astronomie wie du, mein lieber Freund, aber mir ist gerade ein Gedanke gekommen. Wenn es sich so verhielte und die Sonne und die Wandelsterne die Sonne umlaufen würden, dann, ja dann müsste sich diese Bewegung doch an den Fixsternen widerspiegeln oder?“
    „Nicht unbedingt, wenn sie nur weit genug entfernt sind.“ Auerbach hatte sehr leise geantwortet. Er ahnte tief im Inneren, dass die großen Verunsicherungen ihre beiden Leben gehörig durcheinanderwirbeln, wenn nicht sogar ins Wanken bringen konnten.
    Bernhardi ließ nicht

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