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Das Geheimnis des Himmels

Das Geheimnis des Himmels

Titel: Das Geheimnis des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Schoch
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einzuschätzen, sonst hätte ich es nicht so weit bringen können. Wie gefällt Euch die Stadt?“
    „Überraschend gut“, antwortete Bernhardi, „soweit ich sie bereits kenne. Aber viel habe ich noch nicht gesehen.“
    Fabricius schmunzelte. „Na, da Ihr von der herzoglichen Universität kommt, werdet Ihr Euch sicher vorgesehen haben, ob hier nicht der schwarze Geselle mit dem Pferdefuß sein Unwesen treibt.“
    Bernhardi errötete. Dieser Fabricius schien wirklich Menschen zu durchschauen. „Ich habe mich mit einer besonders großen Portion geweihten Wassers auf den Weg gemacht. Nötigenfalls steht alles für einen Exorzismus bereit.“ Das klang frivoler, als es gemeint war, aber Fabricius ließ sich dadurch nicht beeindrucken.
    „Na, dann seid Ihr ja bestens geschützt. Kennt Ihr die jüngsten Ereignisse hier?“
    Bernhardi verneinte.
    „Seit mehreren Jahren haben sich Streitigkeiten zwischen dem Domkapitel und dem Rat der Stadt zugespitzt. Besonders eskaliert ist die Situation, als die ersten lutherischen Prediger hier eingetroffen sind. Wusstet Ihr übrigens, dass Luther es sich verbeten hat, die Gläubigen nach seinem Namen zu benennen?“
    „Im Ernst? Und ich dachte, genau das sei ein Beweis für seine Überheblichkeit.“
    „Seht Ihr, Parteilichkeit macht blind. Nein, er hat – genau wie Paulus bei den Korinthern – seinen Anhängern entgegengeschleudert, nicht er sei für uns gekreuzigt worden; sein heilloser Name und sein alter, stinkender Madensack seien es nicht wert, dass die Christenheit nach ihm benannt würde … Aber lassen wir das. Wir waren bei den Streitigkeiten zwischen Rat und Domkapitel. Wie gesagt, vor wenigen Jahren traten die ersten Prediger des neuen Glaubens auf und innerhalb kürzester Zeit wandten sich alle Pfarrkirchen der neuen Lehre zu. Bis auf den Dom und das Domkapitel. Allerdings waren die ersten Vertreter der Lehre Luthers nicht alle aus einem Holz geschnitzt. Einige gingen recht ungestüm vor und waren tatsächlich imBegriff, auch die äußerliche Ordnung auflösen zu wollen, was nicht allen gefiel. Da hat ihn der Rat der Stadt nach Magdeburg gerufen – und er ist gekommen.“
    „Luther war hier?“
    „Ja, vor drei Jahren. Und er hat hier gepredigt. Aber nicht im Dom, das hat das Kapitel nicht zugelassen, sondern in St. Johannis. Seine Predigt, ich war dabei, war zugegebenermaßen beeindruckend. Er hat, glaube ich, zwei Jahre zuvor, als in Wittenberg während seiner Abwesenheit die Dinge aus dem Ruder liefen, in ähnlicher Weise mit seinen Predigten die Ruhe wiederhergestellt. Auch hier in Magdeburg waren Rat und Gemeinde sich innerhalb kürzester Zeit einig. Abgesehen vom Domkapitel ist Magdeburg eine völlig lutherische Stadt geworden. Inwieweit sich die weltliche Obrigkeit das bieten lässt, bleibt abzuwarten. Aber nach dem letzten Reichstagsabschied voriges Jahr in Speyer besteht Anlass zur Annahme – ich habe nicht ‚Freude‘ gesagt –, dass dem neuen Glauben nicht gewehrt wird.“
    „Das war mir so im Detail nicht bekannt. Euch erfüllen diese Geschehnisse nicht mit Freude?“
    Fabricius sah Bernhardi prüfend ins Gesicht. „Ich nehme an, Ihr seid nicht im Auftrage der Inquisition hier. Meine Stellung zu den Geschehnissen ist erstens ambivalent und zweitens nicht so wichtig. Aber so viel kann ich Euch verraten: Die Art und Weise, wie nicht nur hier wegen des Glaubens sich beide Parteien aufführen, ist mir äußerst zuwider. Bis jetzt scheint Ihr noch nicht mit den harten und uneinsichtigen Vertretern des jeweiligen Glaubens in Berührung gekommen zu sein. Ich muss schon sagen: Was deren Verhalten noch mit dem Namen unseres Erlösers zu tun haben soll, dafür fehlt mir jedes Verständnis. Solange die jedoch meine Geschäfte nicht behindern, soll’s mir egal sein.“
    Bernhardi hatte einen ersten Eindruck von Fabricius gewonnen.Hier war ihm ein völlig neuer Typus von Mensch begegnet. Die Religion schien für ihn keine existenzielle Frage zu sein, die den Grund des Daseins betraf, sondern eine rein pragmatische. Eine gewisse Hochachtung, ja sogar Verteidigungsbereitschaft Luther gegenüber war ihm deutlich anzumerken. Aber ein tieferes Einlassen auf die Gründe des Glaubens schien er sich zu verwehren.
    „Das, was ich an unserer Universität in jüngster Zeit erlebt habe, reicht auch mir. Ich wünschte, das wäre an Eifer genug.“
    Jetzt lachte Fabricius kurz auf. „Seht Ihr, nun versteht Ihr, was ich gemeint habe. Aber was rede ich, die Zeit eilt

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