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Das Geheimnis des Himmels

Das Geheimnis des Himmels

Titel: Das Geheimnis des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Schoch
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war. Als er vor dem Geschäft stand, fielen ihm in der Auslage sogleich die Lutherschriften auf. Hier war es jedem möglich, solche Werke zu erwerben – vorausgesetzt, man konnte sie auch bezahlen. „Stadtluft macht frei“, seufzte er laut vor sich hin. Dann betrat er den Laden.
    Sein Blick fiel sofort auf mehrere dünne Bändchen, die wohlfeil zu erwerben waren:
De Captivitate Babylonica Ecclesiae. Praeludium Martini Lutheri
. Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche. Vorspiel Martin Luthers, übersetzte Bernhardi. Da die Schrift auf Latein verfasst war, richtete sie sich offenbar an Gelehrte. Nach kurzem Zögern nahm Bernhardi ein Exemplar und schaute sich nach anderen Druckerzeugnissen um. Für einen Augenblick war ihm völlig egal, wie er die in seinem Herzogtum verbotenen Bücher unbemerkt nach Hause schaffen wollte. Er griff weiter zu:
An den christlichen Adel deutscher Nation. Von des christlichen Standes Besserung
und
Von den guten Werken
.
    Plötzlich stockte sein Atem, denn dort lag Luthers große Auseinandersetzung mit Erasmus über den freien Willen:
De Servo Arbitrio. Martini Lutheri ad D. Erasmum Roterodamum
. Bernhardi konnte nicht anders: Er musste die Schrift erwerben.Mehr um sich selbst zu beruhigen, fügte er noch einige Werke lateinischer Dichter und ein neues griechisches Wörterbuch hinzu. Dann waren seine finanziellen Mittel erschöpft.
    Mit einem gut verschnürten Bündel trat Bernhardi den Rückweg zur Herberge an. Er bezahlte seine Zeche und fragte den Wirt nach einer Gelegenheit, sich ein Pferd für die Heimreise zu leihen. In Magdeburg war es kein Problem, ein solches Geschäft abzuschließen. Das Pferd könne er in seiner eigenen Stadt bei einer Dependance zurückgeben, erklärte man ihm. Früher hätte er gedacht, dass er bestimmt froh sein würde, der Ketzerstadt wieder den Rücken zu kehren. Jetzt aber wäre ihm der Abschied beinahe schwergefallen, hätte sich nicht die Freude auf das Wiedersehen mit seiner Familie in seine Gedanken gedrängt.
    Der Abend begann bereits zu dämmern, als er zu Hause ankam. Wie anders, wie klein erschien ihm diesmal die gewohnte Umgebung. Und wie ruhig. Kein Kinderlachen war zu hören, vor dem Haus spielte keine seiner Töchter. Das Licht hinter den Fenstern wirkte gedämpft. Natürlich konnte Elisabeth nicht wissen, wann er wieder bei ihr eintreffen würde, aber in ihrer kleinen Stadt sprachen sich solche Nachrichten schnell herum. Er stieg vom Pferd, nahm sein Bündel und betrat das Haus. Hannes kam ihm vorsichtig entgegen.
    „Guten Abend, Hannes. Da bin ich wieder. Würdest du bitte gleich das Pferd versorgen und an diesen Ort zurückgeben?“ Bernhardi reichte ihm ein Stück Papier mit der Anschrift der Dependance des Magdeburger Pferdeverleihers.
    Hannes nickte stumm.
    „Na, steht alles wohl?“
    Hannes antwortete nicht gleich. Bernhardi merkte, dass er etwas sagen wollte, aber nicht konnte. „Was ist dir denn?“
    „Etwas … etwas Schreckliches …“, stammelte Hannes.
    Alle Müdigkeit fiel von Bernhardi ab. Er spürte, dass etwas geschehen sein musste, das sein Leben und seine Familie betraf. „Sag, was ist passiert?“
    „Ich kann nicht …“
    In dem Moment trat Elisabeth zu ihnen. Bernhardi erstarrte, als er ihr ins Gesicht sah. Alles Blühende, Lebendige und Sichere schien von ihr gewichen. Er ging auf seine Frau zu, und ohne ein Wort abzuwarten, drückte er sie an sich. Dann, nach einer Weile, fragte er behutsam: „Elisabeth, was ist dir denn? Was ist hier geschehen?“
    „Anna ist tot.“ Elisabeth sprach die Worte scheinbar unbewegt aus.
    „Nein!“
    „Kurz nach deiner Abreise, noch am selben Tag, ist sie in der Elbe ertrunken. Und ich bin schuld!“
    „Nein, niemals!“ Bernhardi war kurz davor, seine Stimme zu verlieren.
    „Doch, und es ist meine Schuld.“ Mehr war zunächst aus Elisabeth nicht herauszubringen. Nach einem tränenlosen Tag begann sie wieder zu weinen.
    „Wo ist Anna jetzt?“
    Doch auch diese Hoffnung, seine zweitälteste Tochter noch einmal sehen zu können, machte Elisabeth zunichte. „Heute Morgen haben wir sie begraben.“
    Jetzt war es Bernhardi, der die Fassung verlor. Seine Beine versagten ihren Dienst und er schaffte es gerade noch bis an den Tisch in der Wohnstube. Dann fand Elisabeth wieder zu ihrer alten Haltung zurück. Nahezu emotionslos berichtete sie ihrem Mann von den tragischen Ereignissen. Bernhardi konnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten. Aber im nächsten Moment richtete

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