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Das Geheimnis des Himmels

Das Geheimnis des Himmels

Titel: Das Geheimnis des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Schoch
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es zeigte, dass das erzeugte Abbild noch recht unscharf war und vor allen Dingen nur dann einzutreten pflegte, wenn das Auge sehr genau indie bestmögliche Relation zur Linse gebracht werden konnte. Weitere Versuche mit einer Röhre, in die ich die Linse steckte und somit dem Auge am anderen Ende eine gut fixierte Einblickposition gab, hielten den Erwartungen nicht stand
.
    Schon verzweifelt und fast der Aufgabe nahe, sah ich eines Abends, die Unordnung auf meinem Experimentiertische betrachtend, je eine konvexe und eine konkav gekrümmte Linse beieinanderliegen. Ich weiß bis heute nicht, welche gute Macht mich dazu brachte, beide Linsen hintereinander zu halten und das Ergebnis zu erforschen. Und siehe da: Wenn man die Anordnung so herstellt, dass die konvexe Linse dem zu betrachtenden Gegenstande zugewandt ist und das Auge diese Linse durch die Konkave anvisiert, so ergibt sich ein klarer Blick auf den Gegenstand, der nunmehr um etliches näher gerückt scheint. Sofort baute ich eine Röhre, die beide Linsen in entsprechender Zuordnung fixierte. So hatte ich nach nahezu fünfzehn Jahren Arbeit mein erstes Sehgerät erschaffen, das wirklich in der Lage war, auch dem ungeübten Auge ferne Gegenstände näher zu bringen
.
    Hier endete der von Bernhardi vorbereitete Textteil. Auerbach, der dem Vortrag wie gebannt gefolgt war, konnte nicht an sich halten.
    „Hast du verstanden, lieber Leonhard, was das bedeutet?“
    „Ich bin mir nicht sicher. Wie es scheint, ist ihm da eine große Entdeckung gelungen. Wie aber kommt es, dass diese bis heute unbekannt ist? War er vielleicht ein Wichtigtuer und seine Erfindung weniger brauchbar, als er uns zu verstehen geben wollte?“
    „Oder bedeutet es, dass diese Erfindung von seinen Zeitgenossen für so gefährlich gehalten wurde, dass sie verschwinden musste?“, fügte Elisabeth hinzu.
    „Deine Gattin stellt scheinbar mühelos die richtigen Alternativen und beweist damit die Gültigkeit ihrer vorherigen Bemerkungen.“
    Elisabeth errötete leicht.
    Bernhardi war nicht so schnell bereit, solche ungeheuerlichen Konsequenzen zu akzeptieren. „Vielleicht bleiben wir erst einmal beim Text. Ist so ein Apparat überhaupt möglich? Gibt es etwas Vergleichbares, das in der Naturphilosophie schon einmal in Erwägung gezogen wurde?“
    „Mir ist, außer bei den Lesehilfen, nichts davon bekannt“, bemerkte Auerbach.
    „Und du solltest es ja eigentlich wissen“, erwiderte Bernhardi trocken.
    „Halten wir zunächst fest: Hier wird eine Entdeckung beschrieben, die ungeahnte Möglichkeiten eröffnet, die aber aus uns unbekannten Gründen nicht weiterverfolgt wurde. Vielleicht – wenn wir denn einer Verschwörung das Wort reden wollen – ist ihre Ausführung auch verhindert worden.“
    „Ja, lieber Leonhard, das ist der Stand unserer Erkenntnis. Aber eines ist jetzt schon klar: Wir haben es mit einer großen Entdeckung zu tun, und allein das rechtfertigte nicht nur den Aufwand des Schreibers, sondern auch unsere – oder besser
deine
– Mühen, dieser Entdeckung nachzuforschen. Ich bin übrigens sehr gespannt darauf, zu erfahren, ob dieser Heinrich von Saalfeld seine Erfindung irgendjemandem mitgeteilt hat.“
    „Allerdings. Aber dazu werde ich wieder ein paar Stunden in meinem Verlies zubringen müssen, um mit der Übersetzung der Handschrift fortzufahren. Sobald mir dies gelungen ist, treffen wir uns wieder.“
    Auerbach erhob sein Glas: „Liebe Freunde, ich hoffe, ich darf Euch und dich so nennen … Möge nicht nur die Arbeit an unserem geheimnisvollen Text, sondern auch die Freude an der Weisheit und am Leben wieder zunehmen, mögen unsere Freundschaft und das gegenseitige Vertrauen beständig wachsen …“ Elisabeth zugewandt, fuhr er fort: „Möge auch die Lebensfreude nach dunklen Tagen wieder in unsere Gegenwart einkehren!“
    Jetzt war Elisabeth es, die ihrem Mann zuvorkam: „Ihr dürft mich getrost Elisabeth nennen, es würde mich freuen. Danke für Eure guten Wünsche. Wie mir Leonhard im Vertrauen mitteilte, deutetet Ihr auch einen Schmerz an, der Euer Leben verdunkelt hat.“
    „Elisabeth!“, entfuhr es Bernhardi.
    „Nein, lass nur Leonhard. Elisabeth, Ihr habt vollkommen recht. Zur Freundschaft gehört es auch, das Leid einander zu offenbaren und damit zu teilen. Ich bewundere Euch, Ihr habt den Mut, das, was andere oft lauthals nur mit Worten beschwören, auf seine Tragfähigkeit zu prüfen, indem Ihr es anwendet. Das ist selten. Und Ihr nehmt auch keinerlei

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