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Das Geheimnis des Himmels

Das Geheimnis des Himmels

Titel: Das Geheimnis des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Schoch
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bis er endlich in einen traumlosen Schlaf hinüberglitt.
    Ein vielstimmiges Vogelkonzert weckte Leonhard Bernhardi früh am nächsten Morgen. Erst wusste er nicht, ob alles, was bisher geschehen war, nur ein nächtlicher Traum gewesen war. Aber dann erblickte er sein Pferd und die ungewohnte Umgebung. Schlagartig wurde ihm seine Situation bewusst.
    Er ging zum Bach, um sich frisch zu machen. Das kühle Wasser auf dem Gesicht weckte augenblicklich seine Lebensgeister. Für einen kurzen Moment empfand er sogar Freude über diesen Aufbruch in sein neues Leben. Aber dann kehrten angesichts seiner ungewissen Zukunft die Sorgen und Ängste zurück. Ob diese nicht doch mit seinem Kleinglauben zusammenhingen? Wie oft hatte er schon über die Aussage des Erlösers gegrübelt, wer nur Glauben habe wie ein Senfkorn, der sei imstande, Berge zu versetzen. Offenbarte sie nicht geradezu seinen Unglauben? Hatte nicht auch Luther betont, allein der Glaube sei das Entscheidende?
    Er selbst hatte früher den Glauben als eine Bindung, ja geradezu als Unterwerfung unter die göttliche und kirchliche Autorität verstanden. Wie sehr hatte ihm der Wittenberger die Augen dafür geöffnet, dass Glaube etwas ganz anderes war, nämlich ein restloses Vertrauen auf Gott, ohne dass irgendwelche Vorbedingungen zu erfüllen waren. Allerdings fielen damit sämtliche Sicherungen und jegliche weltliche Fundierung des Heils weg. Bernhardi lächelte. Hatte er etwa schon die Fakultät gewechselt? Aber nein, mit den Streitigkeiten der Theologen wollte er nichts zu tun haben. Mit dem Kern ihrer Themen aber doch.
    Nach einem kleinen Imbiss, den er mitgenommen hatte, sattelteer sein Pferd und nahm die letzte Etappe des Weges in Angriff. Seine Vorfreude auf das Wiedersehen mit Elisabeth und den Kindern hatte sich bis zum Äußersten gesteigert, als er endlich in Leipzig auf dem Hof seines Schwagers und seiner Schwägerin einritt. Er stieg ab.
    Auf sein Klopfen hin wurde die Eingangstür geöffnet. Ursula Gropius, die Schwester seiner Frau, stand völlig überrascht vor ihm.
    „Leonhard, du?“
    „Ja, meine liebe Ulla, ich bin es. Verzeih mein unangemeldetes Erscheinen, aber ich habe wichtige Gründe, Elisabeth und die Kinder zu sprechen.“
    „Ist etwas Schlimmes geschehen?“
    „Nichts, was dich beunruhigen müsste. Aber sei erst einmal gegrüßt!“ Mit diesen Worten umarmte Bernhardi seine Schwägerin.
    „Ja, es tut mir leid, aber Liese und deine Töchter sind nicht mehr hier. Gestern sind sie nach Hause abgereist. Hast du das nicht gewusst?“
    Es war einer der seltenen Augenblicke, in denen Bernhardi völlig sprachlos war. Ungläubiges Entsetzen ergriff ihn. „Nein, das habe ich nicht gewusst. Es war abgesprochen, dass sie ungefähr zehn Tage bei euch bleiben würden.“
    „Richtig. Aber Elisabeth wurde immer unruhiger. Sie ahnte, dass sie zu Hause nach dir und auch sonst nach dem Rechten sehen müsste. Du weißt ja, dass sie in solchen Dingen sehr sensibel ist, fast schon wie eine Prophetin.“
    Nur den Tod von Anna hat sie nicht voraussehen können, dachte Bernhardi bitter, aber er fasste sich sofort wieder.
    Bevor er etwas erwidern konnte, redete Ursula weiter. „Außerdem war Barbara sehr unruhig. Sie litt wohl sehr unter der Trennung von ihrem Verlobten, ihrem Verehrer, wollte ich natürlich sagen. Und die anderen hätten auch lieber mit ihrenFreundinnen daheim gespielt, als hier artig auf Besuch zu sein. Aber willst du nicht hereinkommen? Pieter wird sich freuen, dich zu sehen.“
    „Nein, das geht jetzt wirklich nicht. Ich muss sofort zurück und sie sprechen.“ Ursulas Mitteilung hatte ihn getroffen wie ein Faustschlag. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: „Grüß deinen Mann herzlich von mir. Wir können hoffentlich bald einen gemeinsamen Besuch nachholen.“ Damit drehte er sich um, stieg auf sein Pferd und verschwand in scharfem Galopp vom Hof. Ursula blickte ihm stirnrunzelnd hinterher.
    Leonhard ritt wie von Sinnen die gleiche Strecke zurück, die er gekommen war. Erst als er merkte, dass sein Pferd erschöpft war, gönnte er ihm und sich eine kleine Rast. So schwer es ihm fiel, er musste seine Geschwindigkeit dem Vermögen seines Tieres anpassen. Auf seine eigenen Bedürfnisse achtete er überhaupt nicht. Erst als er in der Dunkelheit sein Haus erblickte, merkte er, dass sein Magen sich meldete.
    Kurz bevor er das Haus erreichte, schien es ihm, als sei dort hinter einem Fenster ein Licht ausgelöscht worden. Bernhardi stutzte.

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