Das Geheimnis des Himmels
war. Langsam trat er in den Keller ein. Auch wenn er nicht ernsthaft glaubte, dass irgendeine hochgestellte Person anwesend war, rief er mehrfach laut: „Hallo, ist da jemand?“
Auerbach und Bernhardi zogen sich hinter ein dicht gefülltesRegal zurück, während der Nachtwächter tatsächlich bis zum hinteren Ende des Kellers marschierte.
„Was sollen wir machen? Ihm eins überziehen?“ Bernhardi war fast zu allem bereit.
„Das muss aber mit einem Male gelingen, sonst erkennt er uns“, flüsterte Auerbach zurück. „Nur womit?“
„Er hat einen Helm auf, das gelingt uns nicht!“ Bernhardi hatte seinen logischen Verstand wiedergefunden.
Mehr Zeit zu überlegen blieb ihnen nicht, denn der Nachtwächter war bereits auf dem Rückweg. Auerbach griff dennoch zu einem mächtigen Folianten, aber im letzten Moment fiel Bernhardi ihm in den Arm. Der Nachtwächter erreichte die Tür, drehte sich noch einmal um und verließ dann den Keller, nicht ohne die Tür ordentlich zu verschließen. Atemlos hörten die beiden, dass er es mit den anderen Türen genauso machte.
„Jetzt sitzen wir in der Falle. Ein recht hoher Preis für ein so erfolgloses Unternehmen.“ Auerbachs Kommentar war trocken und eindeutig.
„Wieso sitzen wir in der Falle?“, fragte Bernhardi erstaunt. „Du hast doch die Schlüssel.“
„Die nützen mir hier aber nichts. Man hat die Schlösser so verändert, dass sie nur noch von außen zu öffnen sind.“
Bernhardi schluckte. „Sag, dass das nicht wahr ist!“
„Ist es aber. Kurz nach Fertigstellung des Anbaus wurden mehrmals Studenten entdeckt, die sich abends eingeschlossen hatten.“
„Warum das?“
„Der gesamte Buchbestand der Universität ist hier eingelagert worden. Einen Teil findest du übrigens in diesem Raum.“
„Ja, das weiß ich.“
„Aber was du nicht weißt: Kurz nach deinem Verschwinden ist beschlossen worden, etwas gegen den Bücherklau zu unternehmen. Du weißt ja selbst, wie teuer die Werke der neuenSchwarzen Kunst sind. Das weckt Begehrlichkeiten bei unseren Kandidaten. Und da man nicht verhindern konnte, dass die Studenten sich nach Vorlesungsschluss irgendwo verbergen, wollte man wenigstens verhindern, dass sie sich unbemerkt von hier entfernen können. Darum sind die Schlösser so verändert worden, dass sie nur von außen durch Befugte zu öffnen sind. Ich habe daher die Türen einen Spalt offen gelassen, aber ich hätte nicht gedacht, dass der Nachtwächter das bemerken würde.“
Jetzt war Bernhardi völlig ratlos. Um ihn aufzumuntern, sprach Auerbach leise weiter.
„Was mir gerade einfällt: Unter den nächtlichen Besuchern war auch ein gewisser Maximilian Hartung. Ich glaube langsam, dass er genau wie wir nicht nach Büchern gesucht hat.“
„Hmmm … Dieser Hartung war uns ganz schön dicht auf den Fersen.“
„Ja, allem Anschein nach ist er von der Organisation, die deine Entdeckung verhindern will, eingeschleust worden. Wenn dein Schwiegersohn in spe ihn nicht an seinen Mordplänen gehindert hätte, wärest du jetzt nicht hier. Sieh es also ganz positiv.“ Auerbach hatte wirklich die Ruhe weg.
„Und wenn wir morgen hier entdeckt werden? Es kommen immer noch einzelne Kollegen und benutzen die Bibliothek. Zu Beginn des nächsten Semesters fangen die Prüfungen an.“
„Tja, wenn die Kollegen nicht kommen, kommt mit Sicherheit unser neuer Pedell. Er hat die Stelle erst zur Probe und ist deshalb besonders eifrig. Außerdem müssen wir damit rechnen, dass er von dem Nachtwächter über den nächtlichen Zustand des Gebäudes so bald als möglich unterrichtet wird.“
Bernhardi krochen eisige Schauer über den Rücken. „Wie sollen wir aus dieser Sache bloß wieder herauskommen? Was können wir tun?“ Sein Blick hatte etwas Flehentliches.
Je unruhiger Bernhardi wurde, desto gelassener wurde Auerbach.Fast schien es, als würde er der unglücklichen Situation mit einer gewissen Heiterkeit begegnen. „Was wir tun können? Gar nichts.“
„Wie, gar nichts?“
„Wir warten ab, bis der Pedell uns öffnet. Wenn wir Glück haben, glaubt er uns die Geschichte, die ich ihm auftischen werde.“
Kurz nachdem der Hahn aufdringlich den Morgen begrüßt hatte, hörten die beiden Eingeschlossenen, wie jemand mit einem klirrenden Schlüsselbund die Pforte und dann die einzelnen Türen öffnete. Als der Zugang zum Anbau an der Reihe war, traten dem verblüfften Pedell zwei freundlich lächelnde ältere Herrschaften entgegen, die ihm einen guten Morgen
Weitere Kostenlose Bücher