Das Geheimnis des Himmels
Lenchen. Und so möchte ich dich etwas fragen, was mir schwerfällt: Kannst du dir vorstellen, dass wir in euer neues Haus, das noch zu finden sein wird, mit einziehen?“ Bevor der verblüfften Barbara die Tragweite der Frage völlig klar geworden war, ergänzte Elisabeth: „Und kannst du dir vorstellen, wie Friedrich darauf reagieren wird?“ Elisabeth sah ihrer Tochter in die Augen.
Erst nach einer Weile konnte Barbara mit geröteten Wangen eine Antwort geben.
„Du weißt, wie sehr es mich freuen würde, euch alle in meiner Nähe zu wissen! Dann wäre eine Hochzeit nicht, wie so oft, eine Trennung von den eigenen Lieben. Das wäre wunderbar. Ich glaube, auch Friedrich würde sich freuen.“
„Na, sei mal nicht so voreilig. Du kannst noch nicht überblicken, wie das ist, wenn man nicht nur den Ehegatten, sondern gleichzeitig eine ganze Familie heiratet.“ Leise fügte sie hinzu: „Oder eine fast komplette Familie. Unter normalen Umständen würde ich niemals ein solches Ansinnen vortragen. Aber die Not zwingt mich dazu. Und ich hege die Hoffnung, dass dieser Zustand nicht zu lange dauern wird.“
„Meine Zustimmung hast du auf jeden Fall. Und wie ich schon sagte, ich kann mir nicht vorstellen, dass Friedrich sich nicht darüber freuen wird. Allerdings hoffe ich sehr, dass er über seinen Schatten springt und überhaupt schon so bald heiraten will. Manchmal ist er zu stark an seine Prinzipien gebunden. Aber vielleicht kann ich das ja ändern.“
„Noch nicht verheiratet und schon Erziehungsmaßnahmen?“ Elisabeth schmunzelte.
Da flog die Tür der Kemenate auf und Sophia trat heraus. Elisabeth und Barbara verschlug es die Sprache. Da war keine Spur mehr von der lausbubenhaften Sophia, die sich normalerweise um alles kümmerte, aber nicht um ihre Kleidung. Einen Augenblick lang genoss sie die erstaunten Gesichter von Mutter und Schwester, die sie noch nie so herausgeputzt gesehen hatten.
„Was ist denn mit dir los? Du siehst ja fantastisch aus!“ Barbara konnte sich nicht zurückhalten. Dann lachte sie drohend: „Du willst doch nicht um meinen Verlobten buhlen?“
Zunächst lachte auch Sophia, dann wurde sie ernst: „Nein, aber an diesem schönen und wichtigen Tag habe ich mich auch für Anna schön gemacht. Für mich ist sie heute ganz nah dabei, ich fühle es.“
Während die beiden betroffen schwiegen, gewann das fröhliche und sprunghafte Naturell Sophias wieder die Oberhand. „Und zum Anlass unseres großen Familienausfluges werden wir den kleinen Handkarren mitnehmen und im Freien ein Fest veranstalten, das wir so schnell nicht mehr vergessen.“
„Dann eile ich in die Küche, um ein paar gute Sachen aufzutreiben. Johanna, die Köchin, ist sehr nett und gegen eine kleine Aufmerksamkeit sicher bereit, uns unter die Arme zu greifen.“
Gemeinsam brachen sie zu ihrer Wiese im Grünen auf, wie sie es manchmal taten, wenn sie ungestört von den Angehörigen der Pflugs sein wollten. Diesmal war die Vorfreude besonders groß. Nicht nur, dass Friedrich von der Aue dort unter den schattigen Bäumen erwartet wurde, nein, ein weiterer Gast würde ihnen heute Gesellschaft leisten. Alle waren in gespannter Erwartung.
Als sie die Wiese erreichten, wartete Friedrich dort bereits. Auch er hatte es sich nicht nehmen lassen, seine beste Kleidung anzulegen. Lächelnd empfing er die Frauen und alle begrüßten sich herzlich. Nachdem Friedrich sich versichert hatte, dass ihnen niemand gefolgt war, drehte er sich zum Wald hin und hob kurz die Hand.
Ein großer schlanker Mann trat aus dem Hain hervor und ging gemessenen Schrittes auf die versammelte Familie zu. Trotz des ungewöhnlichen Aufzugs und des vollen Bartes erkannte Elisabeth ihren Mann sofort. Stumm gingen sie aufeinander zu und umarmten sich so innig, dass sie gar nicht merkten, wie ihnen die Tränen über die Wangen rollten.
„Nun begrüß doch auch unsere Töchter“, waren die einzigen Worte, die Elisabeth endlich flüstern konnte. Sogleich löste sich Bernhardi von seiner Frau und ging auf die Kinder zu, von denen nur Barbara ihn sofort erkannt hatte. Sophia, Katharina und Magdalena waren erst sehr irritiert über den fremden Mann, der ihre Mutter umarmte. Doch als Leonhard bei ihnen war und sie in den Arm nahm, erkannten sie ihn.
„Vater und ich müssen uns unter vier Augen über einige wichtige Angelegenheiten verständigen“, erklärte Elisabeth den Kindern anschließend. „Bitte habt etwas Geduld und lasst uns eine Weile allein. Wir
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