Das Geheimnis des Himmels
es“, bestätigte Leonhard. Sie breiteten ein großes Tuch auf dem Gras aus und legten die Lebensmittel darauf. Dann begannen sie in aller Ruhe zu speisen.
„Von wegen im Gras ausgeruht“, flüsterte Barbara empört Friedrich zu, als sich die beiden etwas von den anderen entfernten, um eine weitere Flasche Rotwein aus dem Korb zu holen. „Die hatten keine Scheu, es wie die Tiere zu treiben. Und das in freier Natur. So wenig Schamgefühl hätte ich ihnen nie zugetraut!“
Friedrich musste sich beherrschen, nicht laut loszulachen. „Wie die Tiere? Sollte ich eine gewisse Prüderie bei dir bemerken? Aber nun mal im Ernst. Beide haben sich nach vielen aufregenden Erlebnissen lange nicht mehr gesehen. Dürfen sie sich da nicht nur mit ganzer Seele, sondern auch mit dem ganzen Körper aneinander erfreuen?“
„Ich, ich kann mir das nur nicht vorstellen“, stotterte Barbara.
„Nur weil sie älter und zudem deine Eltern sind? Ich hoffe, wir werden uns später auch so aneinander freuen.“
„Wen will ich da bloß heiraten?“, seufzte Barbara gespielt.
„Noch hast du Zeit, es dir zu überlegen. Aber wenn du nicht mehr willst, hast du einen Menschen auf dem Gewissen.“
„Ach, du gemeiner Kerl, bei dir hat man nie das letzte Wort.“
„Das wirst du bald abstellen, nicht wahr?“
Als sie ihr gemeinsames Mahl beendet hatten, ergriff Bernhardi das Wort.
„Wie ihr wisst, haben Barbara und Friedrich vor, den Bund der Ehe einzugehen. Und es ist euch auch bekannt, dass wir alle damit sehr einverstanden sind. Die Absicht, diese Eheverbindung nach dem Abschluss von Friedrichs Studium vorzunehmen, hat sich infolge der besonderen Umstände leider als undurchführbar erwiesen.“
Ein Raunen ertönte, die Überraschung war gelungen.
„Das soll nicht heißen, dass diese Ehe nicht zustande kommt. Im Gegenteil, die Ehe soll deshalb früher geschlossen werden. In Kürze, so hoffe ich, werden wir ein passendes Heim gefunden haben, in das nicht nur die Brautleute, sondern auch Elisabeth, Sophia, Katharina und Lenchen einziehen werden. Wie schade, dass ich selbst weder an der Hochzeit teilnehmen, noch mit in das Haus einziehen kann! Aber ihr versteht … solange ich mich noch vor den Mordplänen meiner Gegner schützen muss … Gott gebe, dass eines Tages in nicht allzu ferner Zukunft meine Familie wieder mit mir vereint sein wird.“
Nun war alles gesagt. Die nächsten Stunden verflogen schnell, man genoss das seltene Beieinandersein.
Nachdem alle Pläne offengelegt waren, erzählte Leonhard Elisabeth von seinem nächtlichen Versuch, den alten Sehapparat ausfindig zu machen.
„Also hat es keinen Zweck mehr, ihn dort finden zu wollen?“ Elisabeth fixierte Leonhard genau.
„Nein, selbst wenn er da noch verborgen wäre, müsste man den ganzen Kellerraum ausräumen, wenn nicht sogar den Gebäudeflügel abreißen.
Elisabeth schwieg. Plötzlich hatte sie einen Gedanken, der sie selbst überraschte. „Sag einmal, Leo, wie sieht üblicherweiseein Arbeitstag, oder besser gesagt, eine Arbeitsnacht bei den Sternkundigen aus?“
„Wenn es dunkel geworden ist und die Wolken aufreißen, dann nehmen sie ihre Instrumente und peilen damit die Sterne an. Sie vermessen deren Standorte und notieren ihre Ergebnisse. Ich kann dir jetzt nicht alle Instrumente aufzählen, die sie dazu benutzen, das wäre etwas für unseren Einhard …“
„Das ist, glaube ich, auch gar nicht nötig. Viel wichtiger scheint mir: An welchen Ort gehen die Sternkundigen, um die Objekte ihrer Begierde zu studieren?“
„Soweit mir bekannt ist, suchen sie eine dunkle, erhöhte Stelle aus, um eine möglichst gute Sicht zu haben.“
„Steigen sie auch auf Türme?“
„Gewiss, die sind am besten dafür geeignet, weil am wenigsten Hindernisse wie Bäume oder andere Gebäude im Weg sind.“
„Hatte von Saalfeld unter Umständen Gelegenheit, einen erhöhten Standpunkt oder vielleicht sogar einen Turm aufzusuchen?“
„Nicht dass ich wüsste. Er war doch in einem Kloster.“
„Wo ist denn der höchste Punkt in einem Kloster? Oder vielmehr: Was war denn vermutlich der höchste Beobachtungsort im alten Franziskanerkloster?“
„Das kann ich nicht sagen. Oder doch, Moment! Na klar: der Turm der Klosterkirche!“
Bernhardi war sprachlos. Da hatte ihn, den Professor für Logik, seine eigene Frau wie einen Schüler langsam mäandrierend auf die Wahrheit gestoßen, wie es selbst die alten Griechen nicht besser hätten machen können. „Du meinst
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