Das Geheimnis des Millionaers
streng von Kopf bis Fuß. „Sie müssen dringend aufgepäppelt werden, Miss Lander.“ Und damit zog sie sich zurück.
Stimmte das? Adrienne musterte im Fenster kritisch ihr Spiegelbild. Tatsächlich, die eine Woche mit den wenigen hastigen Bissen und den schlaflosen Nächten hatte ihre Wangenknochen stärker hervortreten lassen und Schatten unter ihre Augen gelegt. Vielleicht sieht Chay mich ja nur an und entscheidet, dass mein Verfallsdatum längst abgelaufen ist, dachte sie mit trockener Ironie.
Mrs. Whitley unterbrach ihre Selbstbetrachtung. „Die Möbelpacker sind schon da, Madam. Mr. Haddon meinte, Sie würden die Anweisungen geben, da Sie ja wissen, wo alles hingehört.“
„Weiß ich das?“ Verdutzt folgte Adrienne der Haushälterin in die Halle. „Ich verstehe nicht ganz.“
Doch sobald sie die Möbelstücke erblickte, verstand sie nur zu gut.
„Aber das ist doch das Mobiliar von Mr. Stretton. Dieser Schrank und der Tisch da … die Stühle. Sogar der große Schreibtisch aus der Bücherei.“ Benommen schüttelte sie den Kopf. „Wie ist das möglich?“
„Mr. Haddon wollte das Haus genauso herrichten wie früher. Wenn man weiß, wo man suchen muss, findet man auch alles wieder.“
Grundgütiger, und er ist gründlich gewesen! Adrienne fröstelte. Es ging Chay nicht nur um das Haus, er wollte Piers’ gesamtes Erbe. Nichts ließ er aus, nicht das kleinste Detail.
All die Jahre musste er auf seine Rache gewartet haben – an Piers und an ihr.
Dieser Mann war absolut skrupellos. Und bald – sehr bald – käme er zurück. Um sie zu holen.
6. KAPITEL
„Du musst das wirklich nicht tun“, sagte Zelda.
Adrienne klappte den Kofferdeckel zu und zurrte den Gurt fest. Nachdem die Möbel auf The Grange nun alle wieder an ihrem alten Platz standen, war sie am Nachmittag zum Cottage gefahren, um ihre Sachen zu holen. Diese Aufgabe hob sie sich bis zum Schluss auf. Wie ein Verurteilter, der auf eine Wende im allerletzten Moment hoffte.
„Es ist ein Job wie jeder andere auch“, behauptete sie gespielt unbeschwert. „Meine Güte, als ich das letzte Mal auf The Grange eingezogen bin, hast du dich auch nicht so angestellt.“
„Das war etwas völlig anderes. Nur willst du es nicht zugeben.“
„Sieh mich nicht so bedrückt an.“ Adrienne hievte den Koffer vom Bett. „Es ist ein Job, nur ein weiterer Auftrag. Ich bin bald zurück, wirst schon sehen. Außerdem will ich doch mit Smudges neuem Hündchen spielen. Also, mach dir keine Sorgen.“
Zelda ging, wenig überzeugt, und Adrienne stellte den Koffer in den Jeep. Viel gepackt hatte sie nicht, schon deshalb nicht, weil sie nur wenig Garderobe besaß. Und die passende für die Geliebte eines Finanztycoons schon gar nicht, dachte sie zynisch. Keine fließenden Abend- oder eleganten Cocktailkleider und auch keine sexy Dessous. Vielleicht bestand Chay ja darauf, ihr diese Dinge zu kaufen. Das wäre dann schon einer von vielen zu erwartenden Reibungspunkten.
Sie fragte sich, was Mrs. Whitley wohl denken mochte. Offensichtlich konnte Chay in den Augen der Haushälterin nichts falsch machen. Selbst wenn Adrienne die Hauptfrau in einem ganzen Harem wäre, würde Mrs. Whitley nicht mit der Wimper zucken. Doch im Moment hielt sie Adrienne offensichtlich lediglich für eine weitere von Chays Angestellten.
Als Adrienne nach Wildhurst Grange zurückkam, fand sie das Bett in ihrem Schlafzimmer bezogen, zwei hübsche Aquarelle hingen an der Wand, und die gebrauchten Möbelstücke waren auf Hochglanz poliert, sodass sie wie neu wirkten. Auf dem Sessel lag ein Kissen, und eine Schale mit Rosen schmückte den Tisch. Mrs. Whitley hatte sogar Griffe für die Kommodenschublade gefunden und angebracht.
Als Adrienne sich begeistert bedankte, strahlte Mrs. Whitley übers ganze Gesicht. „Mr. Haddon will, dass Sie sich wohlfühlen und alles haben, was Sie brauchen. Aber jetzt muss ich mich um das Dinner kümmern.“
Lange brauchte Adrienne nicht, um ihre Sachen zu verstauen, und danach wusste sie nicht, was sie tun sollte. Wie seltsam, durch das Haus zu gehen und es fast genauso vorzufinden wie zu Mr. Strettons Zeiten. Als kleines Mädchen war ihr das Haus immer wie ein verwunschenes Schloss vorgekommen, mit Mr. Stretton als freundlichem Zauberer, der darin wohnte. Wie oft hatte er damals Schränke und Vitrinen für sie geöffnet und ihr Geschichten zu den vielen Kuriosa erzählt, die er darin aufbewahrte. Und immer war Chay in der Nähe gewesen, still und
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