Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis des Nostradamus

Das Geheimnis des Nostradamus

Titel: Das Geheimnis des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Flacke
Vom Netzwerk:
diesem Moment knallte die Peitsche des Kutschers auf. Schnalzen war zu hören und die Pferde setzten sich wiehernd in Trab. Marie schaute nachdenklich aus dem Fenster. Die Sonne wölbte sich gleißend rot in vibrierendem Dunst den Horizont empor. Und wenn sie sich tatsächlich nicht um die Erde drehte, wie Nostradamus es prophezeite, sondern die Erde um die Sonne?, überlegte sie. Wenn die Welt wirklich nicht der Mittelpunkt des Universums war? Was war dann hinter den Planeten und dem dichten Glitzerband der Milchstraße?
    Weit in der Ferne entdeckte Marie eine riesige Soldatenarmee. Sie sah aus wie ein düsterer Fluss, der sich zwischen Hügeln, Pinienwäldern und lang gezogenen Ebenen hindurchschlängelte und aus dem Lanzen und Arkebusen, aber auch Schlagstöcke und Mistgabeln herausragten. Der frühe Morgenwind wehte ein gleichmäßiges Quietschen herüber, das sich durch das dumpfe Rattern der Kutschenräder seinen Weg bahnte.
    »Das sind Papstfeldschlangen«, sagte Nostradamus mit ahnungsvollem Blick. »Artilleriegeschütze, die vom Papst gespendet wurden, um im Heiligen Kreuzzug gegen die Ketzer siegreich zu sein.«
    Der Kutscher schnalzte wieder heftig mit der Zunge und trieb mit Peitschenknall die jungen Pferde an. Da zog der Geruch nach verbrannter Erde wie der letzte Lebenshauch eines Bauerndorfes durch das Kaleschenfenster. Marie spürte Übelkeit in sich aufsteigen. Erinnerungsfetzen der letzten Kirchenpredigt tanzten durch ihren Kopf. Sie sah den Pfarrer auf der goldverzierten Kanzel, der seine fleischigen Lippen bewegte, als wäre er ein fetter Karpfen, der nach Luft schnappte. »Und wie sagt schon Ignatius von Loyola?«, hatte er den Gläubigen entgegengedonnert. »Bisweilen verlangt die Kirche von ihren Gläubigen sogar die Todsünde!«
    Marie schüttelte sich. Stand nicht auch in der Bibel: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst«?
    Als die Kutsche am frühen Abend dem königlichen Schloss entgegenratterte, war der Himmel mit dreckigen Schlierenwolken überzogen. Ein kühler Wind wehte durch die engen Gassen, in denen gerade die Stunde der Wölfe in Menschenkleidern angebrochen war. Düstere Schatten von Einbrechern und Mördern huschten über die Mauern. Das Licht der Kutschenlaterne fiel auf Torbögen, wo gefallene Mädchen ihre Dienste anboten. Endlich bogen die Pferde auf dem Schlosshof ein, wo die Schweizergarde gerade die hohen Holztore verrammeln wollte. Die Fackeln, die während der Nacht die Ecken des Hofes ausleuchten sollten, waren schon entzündet.
    Marie und Nostradamus wurden von Bediensteten über den gepflasterten Platz zum Schloss geführt. Nur der königlichen Familie war es vorbehalten, auf einer Sänfte oder hoch zu Ross den Hof zu überqueren. Im Palais standen auf den Stufen der weitläufigen Steintreppen Bogenschützen. Hausdiener entzündeten Fackeln, um die düsteren Treppen, verzweigten Flure und kostbaren Säle zu erhellen, denn Paläste hatten nachts ihre eigenen geheimen Bezirke, in denen es Verbrechen, Blut und Verschwörung gab.
    Ein gedrungener Kammerdiener mit wieselflinken Augen brachte die beiden in einen weitläufigen, kostbar ausgestatteten Vorraum. Dort wurden sie von dem alten Konnetabel höchstpersönlich begrüßt, der hinter vorgehaltener Hand als der »Tratschfreund« der Königin bezeichnet wurde. Neugierige Hofdamen und gepuderte Edelleute in üppigem Samt und golddurchwirktem Damast standen tuschelnd beieinander, während sie den berühmten Arzt und Astrologen verstohlen musterten. Eine vorwitzige Zofe mit hochrotem Gesicht tippelte auf Nostradamus zu und knickste ehrerbietig, während sie ihm die geöffnete Hand entgegenstreckte und ihn bat, ihr Geschick in Liebesdingen vorauszusagen. Sofort war er von kichernden Dienstmägden und erwartungsvollen Höflingen umringt.
    Der Kammerdiener klatschte energisch in die Hände und schob die Höflinge auseinander, um Nostradamus den Weg zu bahnen. »Etwas mehr Geduld! Als Erstes verlangt die Königin nach unserem Gast!«
    Marie huschte hinter Nostradamus her, der jetzt durch einen mit Mosaiken und Wandteppichen ausgestatteten Gang zur Königin geführt wurde. In Wandleuchtern brannten Dutzende von Kerzen, die warmes Licht verbreiteten. Vor einer hohen, mit goldenen Ornamenten verzierten Tür blieb der Konnetabel stehen und schob die Wachposten zur Seite.
    »Ihr sollt euch zum Treppenabsatz zurückziehen«, befahl er ihnen, klopfte gegen die goldverzierten Türflügel und öffnete sie ehrerbietig, um Nostradamus

Weitere Kostenlose Bücher