Das Geheimnis des Scriptors
Scriptoren den Anweisungen folgten, würden sie ihr Geld am nächsten Morgen zum Übergabeort bringen. Ich stand noch vor Tagesanbruch auf und bereitete mich auf das Kampfgeschehen vor. Ich hämmerte lose Beschlagnägel in meinen besten Stiefeln fest. Nux lag auf meinen Füßen. Albia war aus dem anderen Zimmer gekommen und beobachtete das Ritual.
»Ich habe keinen Schuster in Ostia.«
»Du würdest das auch in Rom keinem Schuster überlassen, Marcus Didius.« Wir sprachen beide mit gedämpfter Stimme.
»Richtig.« Beim Licht einer Öllampe überprüfte ich methodisch die Stiefelriemen. »Schuster sind nutzlos.« Ich wischte Öl von meinem Schwert, nachdem ich es zunächst aus seinem Versteck geholt hatte – zu Albias Erstaunen. Ich drehte es zum Licht, überprüfte die Klinge und schärfte sie an meinem mit Haifischhaut bezogenen Polierstein. Dann glättete ich meinen Dolch mit Bimsstein, nur um beschäftigt zu sein. »Sag mir, ernste Maid aus dem wilden Norden, warum bist du so interessiert an dem, was ich tue?«
»Aulus Camillus sagte, wenn es zu einem Kampf käme, sollte ich dir bei den Vorbereitungen zuschauen.«
»Aulus, ja?« Ich zwinkerte ihr zu. Die Leute neigten dazu, Albia für ein scheues Wesen zu halten, aber sie konnte Neckereien vertragen. »Was solltest du dir denn anschauen?«
»Er sagte, es beeindrucke ihn immer zu beobachten, wie du dich von einem Clown in einen Soldaten verwandelst.«
»Aulus dachte gut von mir, ja?« Das überraschte mich.
»Er sagte: ›Wenn seine Augen zu lächeln aufhören, kannst du dich sicher fühlen.‹ Natürlich«, beteuerte Albia rasch und lächelte nun auch, »fühle ich mich jetzt ständig sicher. Er meinte, so fühle er sich, wenn er mit dir in den Kampf ziehe.«
Ich erhob mich. Nux sprang zurück und winselte leise. Sie wusste, dass etwas los war und dass sie nicht mitkommen durfte, wenn ich ging. Ich vergewisserte mich, dass ich eine Tunika trug, die mir Armfreiheit ließ, schnallte meinen Gürtel ein Loch enger und band mein Schwert um.
»Ich wusste nicht, dass du ein Schwert mitgenommen hast«, bemerkte Albia düster. »In Rom trägst du es nie.«
»In Rom verstößt es gegen das Gesetz.«
»Also ist es hier sicherer für dich, weil du eins tragen darfst?«
»Nein, es ist gefährlicher, weil hier Idioten Waffen tragen dürfen, aber keine Ahnung haben, wie man vernünftig damit umgeht.«
»Aber du weißt das?«
»Ja.«
»Hast du jemals …«
»Frag nicht, Albia.« Ich musste mich jetzt von Helena verabschieden. Sie war im anderen Zimmer bei den Kindern und gab vor, nicht zu wissen, was ich machte. »Tu mir einen Gefallen, Albia. Wenn ich weg bin, erzähl Helena, was ihr Bruder gesagt hat.«
Albia nickte langsam. »Das wird sie trösten.«
»Vielleicht. Wenn nicht, erinnere sie daran, dass ich bei diesem Einsatz nicht allein bin. Ich geh zum Spielen mit den großen Jungs von den Vigiles.«
Instinkt hatte Helena an die Tür gebracht. Nux rannte zu ihr und suchte Hilfe, um mich am Weggehen zu hindern. Helena beugte sich hinunter und hielt Nux davon ab, weiter an der dünnen Untertunika zu kratzen, die sie als Nachtgewand trug. Als sie mich mit umgeschnalltem Schwert und bereit zum Aufbruch stehen sah, schloss sie sanft die Tür zwischen mir und den Kindern. Julia, die immer neugierig war, stand bereits dort und starrte mich schweigend an. Hinter ihr erblickte ich Favonia, die sich schläfrig in ihrer Krippe aufrichtete. »Bei allem, was ich über die Vigiles weiß, sollte ich da ihre Anwesenheit beruhigend finden, Marcus?« Helena sprach mit gesenkter Stimme.
»Vertrau auf das, was du von mir weißt.« Ich nahm meinen goldenen Ritterring ab und gab ihn ihr zur Verwahrung. Manchmal ist es besser, seinen Status nicht zu verraten. Ich küsste sie ruhig. Nur Helena wusste, ob meine Augen noch lächelten.
»Fall nicht ins Wasser«, wies sie mich an. Ein alter Witz zwischen uns. Ein alter und sehr liebevoller Witz.
Sie war immer noch voller Furcht, schenkte mir aber ihre ganze Zärtlichkeit. Das zeigt, welche große Nachsicht Helena mir gegenüber walten ließ – angesichts dessen, dass sie wusste, ich würde jetzt in ein Bordell am Hafen gehen.
XLVI
D er Leuchtturm war dunkel. Man hatte das große Leuchtfeuer herunterbrennen lassen, als das bleiche Morgenlicht die Kais erhellte. Der Arbeitstag in Portus hatte lange vor meiner Ankunft begonnen, obwohl ich den Fluss mit einer der ersten Fähren überquert hatte. Es konnten nicht mehr als ein
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