Das Geheimnis des Scriptors
Leute abzuhalten, an Bord zu gehen. Ich setzte über die nächstgelegene. Dann ging ich vorsichtig die Schräge hinauf und trat durch das kniehohe Dollbord auf das Achterdeck.
Ich war schon zuvor auf Militärschiffen gewesen. Als junger Rekrut war ich auf einem Truppentransporter gefahren, vielleicht das trostloseste Erlebnis meines Lebens. Ich konnte immer noch die Furcht schmecken, die uns auf der Überfahrt nach Britannien erfüllte, alle nur mit dem einzigen Wunsch, nach Hause zu unseren Müttern zurückzukehren, während wir uns auf der ganzen eiskalten Reise die Seele aus dem Bauch kotzten. Später hatte ich ein kurzes Erlebnis in den ruhigeren Wassern der Bucht von Neapolis gehabt. Ich hatte den Geschwindigkeitsrausch gespürt, als die Trireme die Verschwörer verfolgte, die unglaubliche Gleichmäßigkeit, mit der ihre Ruderer fast auf der Stelle meisterhaft wendeten, das beinahe kaum feststellbare Knirschen, als der Rammsporn eindrang und das Boot der Verdächtigen zerstörte. Triremen sollen unsinkbar sein. Was für ein Trost.
Dieses lange Schiff schlief in vollkommener Stille, die Ruder eingezogen und die Segel aufgerollt, unheimlich verlassen. Ein schmaler Niedergang führte hinauf in die Mitte. Am Bug auf Höhe der Wasserlinie fletschte, wie ich wusste, ein großer gepanzerter Rammsporn seine Fangzähne vor den Wellen – ein sechs oder sieben Fuß langer verstärkter hölzerner Rachen, in Bronze armiert, mit Zähnen, um das Spantenwerk des gegnerischen Schiffes aufzubrechen. Diese Kriegsschiffe waren Roms Waffe gegen die Bedrohung durch Piraten.
Ich ging die ganze Länge des Schiffes ab. Am Ende des Vorschiffes befand sich unter Deck eine winzige Kabine für den Kapitän und den Zenturio. Den an die zweihundert Besatzungsmitgliedern einschließlich einer Handvoll Reservisten wurde wenig Schutz geboten, wenn ein leichtes Bootsverdeck sie auch einigermaßen vor Geschossen und Witterungseinflüssen schützte. Die Kabine war verschlossen, aber ich schaute durch das winzige Fenster – keine Holzkiste.
Als ich zurückging, fragte ich mich, wo sie alle waren. Sechshundert Männer von drei Schiffen hatten sich einfach verkrümelt. Weder in Portus noch in Ostia hatte ich die Anwesenheit einfacher Matrosen wahrgenommen und auch keine angeberischen Trierarchen, die sich auf ihre legendäre laute Weise besoffen.
Caninus hatte angeblich Spione in den Tavernen eingesetzt, aber sechshundert Spione ließen sich kaum verbergen. Vielleicht waren einige nach Rom gegangen. Die beiden Mittelmeerflotten hatten dort ständige Vertretungen. Der Stab der Misenum-Flotte war im Prätorianerlager untergebracht, aber gerüchtweise hieß es, er würde bald in die Nähe des Flavischen Amphitheaters verlegt werden, weil die Matrosen die vorgesehenen großen Sonnensegel bewegen sollten, die den Zuschauern Schatten spenden würden. Das Hauptquartier der Ravenna-Flotte befand sich drüben im Trans-Tiberim-Bezirk.
Keiner war da. Das gesamte Schiff war leer. Es gab nicht mal eine Wache.
Mir blieb nichts anderes übrig, als über das warme Achterdeck zur anderen Seite zu gehen und mich vorsichtig hinüber auf die nächste Trireme zu begeben. Ich hätte das Fallreep zum Kai hinunter- und das nächste wieder hinaufgehen können, aber ich hatte schon genug Zeit verschwendet. Jede Trireme besaß einen Ausleger über die gesamte Länge zur Abstützung der oberen Ruderbank. Ich kletterte hinaus und sprang von einem Ruderkasten zum anderen hinüber. Das tat ich mit Beklommenheit, voller Nervosität, ich könnte abrutschen und ins Hafenbecken fallen.
Die zweite Trireme war ebenfalls leer. Ich durchsuchte sie rasch, tappte mit wachsendem Unbehagen über das Deck und sprang dann auf das dritte Schiff hinüber. Allein auf diesen riesigen Schiffen zu sein zermürbte mich allmählich. Jedes Mal, wenn ich zu einem neuen hinüberwechselte, wurde es schwieriger, meine Anwesenheit erklären zu müssen. Ohne Genehmigung an Bord eines Kriegsschiffes zu gehen war vermutlich Hochverrat. Drei zu betreten würde dreimal so schlimm sein.
Inzwischen schon aus reiner Gewohnheit, überquerte ich die dritte Trireme direkt und blickte über die Bordwand hinab. Unten entdeckte ich ein weiteres Schiff, tiefer im Wasser und deshalb vorher unsichtbar. Es war eine monoreme Liburne, eine klassische leichte Galeere. Aus irgendeinem Grund führte ein Fallreep vom Achterdeck dieser Trireme zu der Liburne. Hätten Triremen Fracht befördert, hätte ich gedacht, die
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