Das Geheimnis des Scriptors
läuft – die Hauptakteure im Handel treffen sich zu Festmahlen, schließen sich zu Bestattungsvereinen zusammen, errichten Statuen. Die Weinhändler haben ihr eigenes Forum. Wenn ich einen fröhlichen Nachmittag verbringen will, steige ich zu ihnen hinunter und überprüfe ihre Lizenzen. Die Schiffsbauer sind traditionell die größte Horde, aber die Bauhandwerker holen ziemlich schnell auf dank all der öffentlichen Bauausschreibungen im und um den Hafen.«
Das sah ich. Unser abwesender Gastgeber Privatus konnte sich in Geld wälzen. Dieses Speisezimmer ging auf einen kleinen Atriumsgarten voller Fresken von Meeresansichten hinaus. Am anderen Ende befand sich eine Grotte aus Muscheln in kunstvollen Mustern. Schwimmende Lampen trieben unter Seerosen auf einem langen Becken zwischen den Liegen. Ich hatte das entsetzliche Gefühl, dass unser Essen in einem Modellschiff aus purem Gold serviert werden würde.
»Wie ich sehe, streicht Privatus den Zaster nur so ein.«
»Privatus hat noch nicht mal angefangen«, stöhnte Petronius. »Er will die ganze verdammte Stadt renovieren. Also sag uns, Falco, gab’s da irgendwelches unzumutbare Drängeln und Schubsen bei dem Brand, den du gesehen hast?« Ich nahm an, er und Brunnus würden gerne Beweise für schlechtes Benehmen sammeln, um die Leitung der Vigiles zu drängen, die Bauhandwerker als Feuerwehr rauszuschmeißen.
»Also, Lucius, alter Kumpel, wenn du so wild darauf bist, aus dem Bett von Privatus zu hopsen, warum warst du dann überhaupt einverstanden, dich hier in seinem Haus einzunisten?«
»Rubella.« Rubella war der Tribun der Vierten Kohorte, Petros Kommandeur. Rubella wusste, dass Petronius Longus ein verdammt guter Offizier war, verdächtigte ihn aber subtiler Insubordination. Normalerweise warf Rubella nicht mit Einführungsschreiben um sich.
»Rubella ist dir doch sonst scheißegal!«
Petronius tat, als hätte er einen nervösen Tick, hervorgerufen durch Belastung bei der Erwähnung seines Vorgesetzten. Doch dann sagte er: »Muss ja zugeben, dass er mich recht nett untergebracht hat.«
»Was führt er im Schilde?«
»Eine offizielle Initiative zur Verbesserung der Beziehung zu den Bauhandwerkern. Rubella hat mich gebeten, zu fraternisieren.«
»Und wer hat Sie zu diesem gesellschaftlichen Verkehr veranlasst?«, fragte ich, an Brunnus gewandt.
»Wir haben’s nicht so mit dem Verbrüdern. Ich führe ein spartanisches Leben in der Kaserne.« Eine Pause entstand, in der wir uns im Geiste alle mit dem wohlhabenden Privatus verbrüderten und noch mehr von seinem guten Wein schluckten. »Nun sagen Sie schon, Falco, was hat Sie bei den Dreckskerlen von der Feuerwache gestört?«
»Nun ja, um gerecht zu sein, sie waren rauhe, grobe Burschen, und es war eine Notfallsituation.«
»Grob zu sein war gerechtfertigt?«
»Eigentlich haben sie nur den Esel angeschubst, auf dem Gaius ritt.«
Petro und Brunnus schauten sich an und lachten. Gemeinsam entschieden sie, dass das hinnehmbar war. Wenn einem Gaius Baebius in den Weg kam, zählte das als Provokation. »Die Vigiles hätten seinen Esel vermutlich den ganzen Weg bis zur Porta Marina zurückgeschubst«, gluckste Petro.
»Mit dem verkehrt herum daruntergebundenen Gaius Baebius«, malte Brunnus das Bild weiter aus.
Petronius war still geworden und beobachtete mich. »Du glaubst, wir sollten diese Bauarbeiter im Blick behalten, Falco?«
»Allerdings.« Wir ließen das Thema fallen.
XVIII
D er Mariner war älter, als ich erwartet hatte, ein weißhaariger, pingelig gekleideter Typ mit akribischer Aussprache. Er sah wie ein Freigelassener aus, der früher als Gewandmeister des Kaisers gearbeitet hatte – als der Kaiser nicht der alte Soldat Vespasian gewesen war, sondern eine der verschwenderischen jungen Gottheiten, Nero oder Caligula, die auf Inzest und Mord standen. Der Mariner traf beladen mit Gastgeschenken ein, als Entschuldigung für sein Zuspätkommen; er schleppte einen ganzen Armvoll Girlanden für unsere Frauen an, die das wenig beeindruckte.
»Wie reizend«, murmelte ich Petro zu, der etwas Unverständliches zurückgrummelte.
Caninus war der Name des Schiffszwiebacks. Es wunderte uns nicht, dass sich ein von Brunnus empfohlener Kontakt als Belastung herausstellte. Caninus kam offensichtlich überall um Stunden zu spät und glaubte, durch ein paar Blümchen würde ihm vergeben werden. Maia wahrte kaum die Höflichkeit, als sie das Blumengeschenk direkt an eine Sklavin weiterreichte, Junia
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