Das Geheimnis des Templers - Collector's Pack
Und mein Vater und unser Clan werden mich vierteilen und meinen Kadaver in alle vier Himmelsrichtungen unserer
Burg hängen, wenn ich dem Orden den Rücken kehre. Meine Aufnahme bei den Templern geschah aus politischen Gründen. Wenn ich
fliehe, brauche ich mich zu Hause nicht mehr blicken zu lassen. Wovon sollten wir leben, wenn ich mit Amelie die Flucht ergreife
und wir – von allen geächtet – keinen Stein finden, unter dem wir uns verkriechen können?«
Für einen Moment hielt er inne und seufzte. »Fin Amor«, sagte er bitter. »Ewige, einzige Liebe. Verdammt.« Wieder schluckte
er hart und starrte ratlos auf seine riesigen Stiefel.
Gero nickte und sah Struan verständnisvoll an. »Ich habe nie darüber gesprochen, aber im Gegensatz zu dir bin ich schon seit
sechs Jahren verwitwet.« Dem deutschen Kreuzritter gelang es trotz aller Tapferkeit nicht, den bleiernen Schmerz zu verbergen,
den er immer noch empfand. »Die Verbindung mit meiner Frau war nicht gerade das, was man gesegnet nennen könnte«, fuhr er
fort. »Elisabeth und unsere Tochter sind unter der Geburt elendig gestorben. Es war meine Schuld. Mein alter Herr wollte immer,
dass ich den Templern beitrete. Nun – ich hatte andere Pläne und habe mich für die Liebe entschieden. Ohne die Zustimmung
meines Vaters und ohne die Aussicht auf ein Erbe.« Gero schluckte, bevor er stockend weiter erzählte. »Mein Vater ist der
Meinung, ich sei ein Versager. Nicht nur, weil ich die Frau meines Herzens gegen seinen Willen geschwängert und geehelicht
habe, sondern weil ich die Verantwortung dafür trage, dass er darüber hinaus ein Gelübde brechen musste.«
Struan hob erstaunt seine schwarzen Brauen. »Welches Gelübde?«
Geros Lippen umspielte ein bitterer Zug. »Meine Frau war die jüdische Pflegetochter meiner Eltern. Mein Vater hat sie im Jahre
des Herrn 1291 in den letzten Wirren bei der Schlacht um Akko als ungefähr Sechsjährige von den zerschmetterten Leichen ihrer
Eltern weggeholt und |46| damit vor den einfallenden Mamelucken gerettet. Dabei hat er dem Allmächtigen ein heiliges Versprechen gegeben. Wenn es ihm
und seinen restlichen Kameraden gelänge, Akko und das Heilige Land lebend zu verlassen, würde er für dieses Kind sorgen und
später, im rechten Alter von zwölf Jahren, einem Kloster übergeben. Mich wollte er aus dem gleichen Grund zu den Templern
schicken, sobald ich den Ritterschlag erhalten hatte. Seine Bittgebete haben offensichtlich genützt, denn er und seine Kameraden
konnten trotz widrigster Umstände aus dem völlig zerstörten Akko entkommen. Und nicht nur das! Sie verhalfen dem damaligen
Komtur des Tempels von Akko und seinem Gefolge zu einer waghalsigen Flucht – niemand geringerem als unserem jetzigen Großmeister
Jacques de Molay und seinen verbliebenen Getreuen, zu denen auch unser geschätzter Komtur zählte!«
Struan stieß einen leisen, anerkennenden Pfiff aus. »Alle Achtung! Dann weißt du also recht gut, wie es in mir aussieht.«
Er sah Gero mit treuem Blick an und entlockte seinem deutschen Bruder dabei unwillkürlich ein leises Lächeln.
»Da magst du Recht haben«, erwiderte Gero. »Mein Eintritt bei den Templern nach dem Tod meiner Frau war denn auch eher eine
Flucht vor meiner eigenen Trauer und den cholerischen Ausbrüchen meines Vaters als ein Akt der Überzeugung oder des Gehorsams.«
Gero sah seinen Mitbruder ernst an. »Aber da ist noch etwas anderes, das ich dir sagen muss.«
»Was denn noch?«, knurrte Struan mürrisch. »Schlimmer kann es ja wohl nicht kommen.«
»Ich fürchte doch. Abgesehen davon, dass unser guter Bruder Guy deine Spur aufgenommen hat und dich beim Kapitel verraten
will, kann es sein, dass am kommenden Sonntag gar keine Kapitelversammlung mehr stattfindet. Ich hatte heute Nachmittag eine
Unterredung mit dem Alten.«
»Henri d’Our? Sag nur, er weiß schon von meinem Fehltritt?« Struan fuhr der Schreck in die Glieder.
»Wenn es so wäre«, antwortete Geron gelassen, »würde er dir keinen Spaten mehr anvertrauen, geschweige denn das Schicksal
des Ordens.«
Struan sah ihn verständnislos an. »Schicksal des Ordens?«
»Versprich mir zu schweigen«, flüsterte Gero.
|47| Struan hob seine dichten Brauen und nickte verblüfft.
In kurzen Zügen berichtete Gero, was d’Our ihm anvertraut hatte, wobei er Struan jedoch nichts über das Haupt der Weisheit
und den Auftrag in Heisterbach verriet. Dass er trotzdem gegen das
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