Das Geheimnis des Templers - Episode IV: Gefährliche Versuchung (German Edition)
neben Gero die Luft zwischen den Zähnen ein, als hätte man ihn persönlich geschlagen.
Hugo selbst zuckte nur ganz kurz, ansonsten brachte er keinen Laut über die Lippen. Auch als die nächsten Schläge auf ihn niedersausten und die Peitsche die Haut an seinem Hintern aufplatzen ließ, presste er lediglich seine Lippen zusammen, gleichzeitig blähten sich seine Nüstern wie die eines wütenden Stiers. Gero bewunderte den Mann aufrichtig für diese unglaubliche Tapferkeit. Die Fähigkeit, Schmerzen zu unterdrücken, gehörte zu den sogenannten Geheimnissen des Ordens. Im Angesicht einer Hinrichtung durch die Heiden keine Furcht und keinen Schmerz zu zeigen war eine der wichtigsten Tugenden, die man als Ordensritter beherrschen musste. Schließlich war per Dekret geregelt, dass ein Bruder des Tempels grundsätzlich nicht gegen Lösegeld ausgetauscht wurde, wenn man in die Hände der Feinde geriet.
„Stell dir vor, wir würden nun dort stehen“, flüsterte Fabius und verzog sein Gesicht zu einer angewiderten Grimasse.
„Wir haben einzig Hugo zu verdanken, dass es nicht so ist“, erinnerte ihn Gero leise. „Wobei sich an uns niemand mehr die Finger schmutzig machen würde. Sie würden uns rausschmeißen, und das wär’s.“
Kapitel VI
I n den Wochen und Monaten darauf herrschte in der Ordensburg eine merkwürdige Stimmung. Von Warda hatte Gero indessen nichts mehr gehört. Und in Anbetracht der Lage hatte er es vorgezogen, nicht von selbst Kontakt zu ihr aufzunehmen. Weniger zu seiner als zu ihrer eigenen Sicherheit. Er konnte nur hoffen, dass sie ihr Versprechen hielt und ihn irgendwie benachrichtigte, falls die Schergen des Königs nach ihr suchten. Ihre Mitstreiterinnen hatte man angeblich der Heiligen Inquisition übergeben und der ketzerischen Verderbtheit angeklagt, weil sie Ordensmänner und Priester verführt hatten, was den Frauen leicht einen grausamen Tod einbringen konnte. Auch der Orden sah sich plötzlich mit strengen moralischen Forderungen seitens der Kirche konfrontiert.
Mit dem einbrechenden Winter war alle Heiterkeit verflogen, und es schien, als hätte das vorangegangene Urteil die Ordensritter und ihre Novizen wieder an ihre eigentliche Bestimmung erinnert. Nicht, dass es keinerlei sonstige Verfehlungen unter den Brüdern gegeben hätte, aber der Fall d’Empures war etwas Besonderes. Schon allein weil ihm eine politische Bedeutung zugemessen wurde. Jacques de Molay musste sich von allen Seiten immer wieder Anschuldigungen gefallen lassen, was die Moral des Ordens betraf. Normalerweise wischte er diese immer galant vom Tisch und hob den Mut seiner Männer hervor und deren Bereitschaft, jederzeit für Papst und Kirche zu sterben. Aber dieses Missgeschick war unter den Augen von Soldaten des Königs von Jerusalem geschehen. Und der hatte kein Interesse daran, dass der Papst den Orden beschenkte.
Deshalb war es äußerst ungünstig gewesen, dass der Skandal eine bevorstehende Schenkung der Festung auf Antarados durch Bonifatius VIII. überschattete. Natürlich hatten der Großmeister und seine Vertreter auch vorher schon auf der Einhaltung der Statuten bestanden. Aber nun taten sie es noch etwas strenger. Offiziell besagten die Regeln, dass Lachen, Scherzen und jegliches Vergnügen verboten waren, doch das nahm gewöhnlich niemand ernst. Erst recht nicht, wenn es darum ging, die Furcht vor dem Tod zu verdrängen. Doch nun schien der Tod auf einmal willkommen zu sein. Jedenfalls, wenn man den hehren Sprüchen der Ordensleitung und Odo de Saint-Jacques’ Ausbildungsmethoden Glauben schenken wollte.
„Ich frage mich, wie lange es dauert, bis wir unsere eigene Scheiße fressen müssen“, raunte Arnaud, als Anspielung darauf, dass Saint-Jacques zu Beginn ihres Noviziates darauf bestanden hatte, dass sie den Urin der eigenen Kameraden tranken.
Mitte März 1302 lagen Gero und seine Brüder bereits eine Woche lang im Feld, irgendwo im Troodos-Gebirge. Eine letzte Prüfung, bevor man sie zu richtigen Ordensrittern weihen würde. Diesmal ging es wohl in erster Linie darum, das Gefühl von Hunger und Kälte zu beherrschen. Man hatte ihnen noch nicht einmal ein Stück Brot gelassen, um die bestehende Aufgabe zu bewältigen. Wenigstens blieben ihnen diesmal die Sorgen ums Wasser erspart. Zum Ende des Winters waren die Bergkuppen Zyperns meist noch schneebedeckt. Was zur Folge hatte, dass es dort oben so gut wie nichts gab, womit sie ihre knurrenden Mägen besänftigen konnten. Wenn man von ein
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