Das Geheimnis des Templers - Episode VI: Mitten ins Herz (German Edition)
sagte sie. »Mein Name ist Amelie.«
»Ich weiß«, bekannte er mit einem sanften Lächeln.
»Woher?« Sie war ehrlich erstaunt. Nie hatte sie ihre Briefe mit Namen unterschrieben, aus Vorsicht, falls sie jemand anderem in die Hände fielen. Und sie waren einander auch nie vorgestellt worden. Natürlich kannte auch sie längst seinen Namen. Sie wusste die Namen aller Tempelritter von Bar-sur-Aube.
Es waren ja nur achtzehn. Jedes Mädchen, das einen Bezug zur Komturei hatte, kannte sie – und nur sie. Die restlichen Kerle in der festungsartigen Templerniederlassung interessierten sie nicht. Es gab noch Sergeanten, die hatten zwar kein Gelübde abgelegt, aber sie verließen den Orden nach einiger Zeit wieder und waren nicht selten verheiratet. Und dann gab es noch die Knappen – aber die waren zu jung. Die nicht kämpfenden Brüder in der Verwaltung waren zu langweilig. Und Bauern und Handwerker konnte jede kennenlernen – das hatte keinen Reiz.
Unter Amelies Freundinnen kursierte sogar so etwas wie eine Favoritenliste der kämpfenden Brüder. Wer am besten aussah, wer die beste Figur zu Pferd machte und wer der kühnste Schwertkämpfer war. Wie oft war sie mit ihren Freundinnen am frühen Nachmittag, wenn die meiste Arbeit im Haus erledigt war, heimlich zu den Exerzierplätzen der Templer geschlichen. Dort hatten sie sich in einem benachbarten Wäldchen hinter Sträuchern versteckt und Wetten abgeschlossen, wer bei den Übungskämpfen am besten abschnitt oder wer das beste Ergebnis beim Armbrustschießen erzielte. Und Struan hatte immer die vorderen Ränge belegt. Für die unverheirateten Mädchen, die wie Amelie in der Nähe der Komturei wohnten, waren er und seine Kameraden unerreichbare Helden, von denen man wusste, dass sie regelmäßig für Gott den Allmächtigen und seinen Vertreter auf Erden ihr Leben aufs Spiel setzten und schon allein deshalb mit Frauen nichts im Sinn haben durften.
Umso erstaunter war sie, dass er sogar ihren Namen kannte.
»Du bist eine auffällige Erscheinung«, sagte er anerkennend. »Ich denke, es gibt keinen Bruder, der dich nicht bewundert, auch wenn er noch so standhaft die Regeln vertritt.«
»Und ich dachte immer, ihr Ritterbrüder interessiert euch nicht für Frauen«, sagte sie verwundert.
Er grinste verlegen. »Ich weiß nicht, ob man das so stehenlassen kann. Um in den Orden aufgenommen zu werden, müssen wir ein Keuschheitsgelübde ablegen, ja. Aber das bedeutet nicht, dass wir unser Augenlicht verlieren. Oder was denkst du … warum sitze ich hier?«
Was für ein unfassbares Kompliment! Um ihre plötzlich aufwallende Schüchternheit zu überwinden, besann sie sich darauf, dass sie neben ihrer Absicht, ihn zu verführen, ursprünglich schon zufrieden gewesen wäre, wenn sie ihn nur hätte ausfragen dürfen.
Da er ihr bereits eine ganze Weile im Kopf herumspukte, hatte sie viel Zeit gehabt, sich Fragen auszudenken, die seine Person und seine Herkunft betrafen und natürlich vieles andere mehr, was sie auch noch brennend interessierte. Das Leben der Ritterbrüder fand innerhalb der Komturei meist im Verborgenen statt. Die übrigen Bewohner des Ordenshauses, an die hundert Menschen mit den verschiedensten Aufgaben und dem Orden nahestehende Handwerker und Kaufleute wie ihr Vater, hatten zwar Zugang zum Speisesaal und dem Handelskontor. Nicht aber zu den Mannschaftsräumen der Ordensritter und ihrem Skriptorium. Es schien beabsichtigt, wenn sich die Ritter, die den Eid auf Lebenszeit abgelegt hatten, von der gewöhnlichen Bevölkerung fernhielten. Sie feierten ihre eigenen Messen und hatten ihre geheimen Versammlungen, an denen kein Außenstehender teilnehmen durfte.
Mit einem Mal war sie sich der besonderen Ehre bewusst, die Struan ihr hatte zuteilwerden lassen, indem er sich mit ihr traf. Dabei kam ihr nicht in den Sinn, dass er nur die Gelegenheit für ein flüchtiges Abenteuer nutzen wollte.
»Wie alt bist du eigentlich?« Sie wählte absichtlich eine harmlose Frage zum Einstieg.
Dementsprechend kurz und phantasielos war die Antwort.
»Fünfundzwanzig.«
»Und wie lange gehörst du dem Orden an?«
»Sechs Jahre.«
»Aber du warst nicht immer in Bar-sur-Aube, oder?«
»Nein.«
Sie verzweifelte. Wenn er weiter so einsilbig blieb, konnte es nur peinlich werden. In kürzester Zeit würde sie sich vorkommen wie bei einem Verhör.
Seine Mundwinkel zuckten verräterisch, weil er sie mit seinen wenig aussagekräftigen Antworten absichtlich necken wollte. Aber sie
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