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Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Titel: Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Abend bemerkbar. Sie würde sich auf ihre Familie konzentrieren, hören, wie es jedem Einzelnen ging, und zusehen, ob sie das Geheimnis lüftete, das Arjen angedeutet hatte. Schließlich war sie wesentlich mehr als eine von Liebeskummer gezeichnete Frau. Zumindest für diesen Abend nahm sie sich fest vor, es zu sein.

6
    Die »Kapitänskajüte« war das einzige nennenswerte Restaurant in Meresund, seit die alteingesessene Schankwirtschaft dem Neubauwahn hatte weichen müssen und der Rest des kulinarischen Lebens aus Pizzabringdiensten und asiatischem Takeaway bestand. Wer etwas Besseres wollte, fuhr nach Kiel, dort konnte man beim Essen die Ozeanriesen im Hafen beobachten, anstatt durch bunte Butzenfenster auf den verwaisten Meresunder Marktplatz zu blicken. Die Speisekarte der »Kapitänskajüte« war genauso altehrwürdig wie das Restaurant selbst, und es hatte eine Zeit gegeben, als Greta das alles zuwider gewesen war: angefangen bei der »Kutterscholle Finkenwerder Art« bis hin zu den Eichentischen, auf denen silberne Salz- und Pfefferstreuer standen. Jede einzelne Familienfeier endete in diesem Restaurant, begleitet von Marie Jobsts schlechtgelauntem Service und der Seemannsmusik aus den Boxen von anno 1950.
    Als Greta heute jedoch den spärlich beleuchteten Saal betrat, stellte sie erstaunt fest, dass sie ausatmete. Voller Erleichterung. Nichts hatte sich verändert – einmal abgesehen von ihrer Haltung. Plötzlich strahlte die rustikale Einrichtung für sie Vertrautheit aus, der Duft nach Gebratenem und Salzkartoffeln mit Petersilie weckte ihren Appetit, und selbst Marie Jobsts herabhängende Mundwinkel wirkten einladender als jedes Willkommenswort.
    »Es ist schön, wieder einmal bei Ihnen zu sein«, begrüßte Greta die Wirtin, die sie mit einem gewissen Unglauben anblinzelte.
    Die Familie ließ sich in der angestammten Sitzordnung an der Tafel im hinteren Gewölbe nieder. Hier saß man zwar abseits, aber das war Arjen mehr als recht. »Ich will in Ruhe essen und nicht im Sekundentakt Neuankömmlinge begrüßen, denen ich vor Jahren mal in den Hals geschaut oder den Bauch abgetastet habe«, erklärte er gern, wenn sich mal wieder jemand beschwerte, dass es in dieser Ecke muffig roch oder die Karte im Dämmerlicht unlesbar war. Ein weiterer Vorteil war die Akustik, denn man verstand durchaus, was drei Plätze von einem entfernt gesprochen wurde, sodass alle Familienmitglieder stets auf dem gleichen Stand der Unterhaltung waren.
    Gretas Onkel Martin tätschelte ihr die Schulter, bevor er sich neben sie setzte. Er war erst jetzt gekommen, weil es am Containerhafen in Kiel, wo er arbeitete, Probleme mit der Software gegeben hatte. Leider hatte man das erst festgestellt, als ein Frachter mit Containern voller gefrorener Hühnerbeine anstelle einer antiken Möbelsammlung bereits in Richtung Übersee abgelegt hatte.
    »Schön dich mal wieder zu sehen, Mädchen. Ich habe von deiner Mutter zwischen Tür und Angel gehört, dass du wohl ein paar Tage länger als geplant in Meresund bleibst. Es ist mir eh ein Rätsel, wie du es so lange eingekeilt zwischen den Bergen ausgehalten hast. Mich hat es mal zu einer Fortbildung in den Harz verschlagen, und zuerst fand ich die Berge ja ganz interessant, aber nach einem Tag habe ich Atembeschwerden bekommen. Wir Rosenbooms brauchen das Meer und ordentlich Hering auf dem Teller anstatt diesem stinkenden Käse.«
    Greta lag der Widerspruch bereits auf der Zunge, doch sie hielt ihn zurück. Für gewöhnlich konnte sie mit dem »Rosenbooms gehören an die Küste«-Gerede nichts anfangen, nun erinnerte sie sich jedoch daran, wie es sich angefühlt hatte, bei ihrer Ankunft Salz auf den Lippen zu schmecken. »Ab und an ist eine Luftveränderung einfach nötig«, gab sie deshalb vage zurück.
    Zu ihrer Erleichterung hakte Martin nicht nach. Arjens ältester Sohn war nicht einmal im Ansatz romantisch veranlagt und hatte seine Scheidung entsprechend unbeschadet überstanden. Seitdem lebte er als überzeugter Single, der ganz in seiner Arbeit und noch mehr in seinen unzähligen Hobbys von Amateurfunken bis Nordic Walking aufging. Seine Interessen nahmen zwar viel Zeit in Anspruch, warfen ihm – im Gegensatz zu seiner Exfrau – dafür aber niemals vor, ein Langweiler zu sein.
    Innerhalb kürzester Zeit verwickelte Martin Greta in ein Gespräch über das öffentliche Verkehrsnetz der Schweiz, das bei allen anderen Familienmitgliedern kollektives Gähnen auslöste. Wenckes Sohn Lars

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