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Das Geheimnis des weißen Bandes

Das Geheimnis des weißen Bandes

Titel: Das Geheimnis des weißen Bandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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versuchen, mich zu betrügen, dann merke ich das. Wenn etwas nicht stimmt, dann komme ich mit der Polizei zurück. Dann werden die Sachen beschlagnahmt, und das bringt Ihnen gar nichts.«
    Johnson lächelte melancholisch. »Gar nichts wissen Sie über mich, Mr. Holmes.«
    »Nein? Ich würde sagen, Sie sind in einer wohlhabenden Familie aufgewachsen und haben eine gute Bildung genossen. Sie hätten vielleicht sogar wirklich ein erfolgreicher Pianist werden können. Ihre Spielsucht war Ihr Ruin, wahrscheinlich das Würfelspiel. Im Verlauf des letzten Jahres waren Sie wegen Hehlerei im Gefängnis, und die Wärter haben Sie als ziemlich lästig empfunden. Sie haben eine Strafe von drei Monaten abgesessen, wurden aber im Oktober entlassen, und seither haben Sie flotte Geschäfte gemacht.«
    Zum ersten Mal schien Johnson meinem Freund seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden. »Wer hat Ihnen das gesagt?«
    »Das musste mir keiner sagen, Mr. Johnson. Das ist alles nur allzu offensichtlich. Und wenn ich Sie jetzt vielleicht noch einmal höflich bitten darf ‒ was hat Ross bei Ihnen versetzt?«
    Johnson überlegte, dann nickte er langsam. »Ich habe den Jungen vor zwei Monaten zum ersten Mal gesehen. Er war damals neu in London, wohnte oben in King’s Cross. Ein paar andere Straßenjungs haben ihn hergebracht. Ich erinnere mich kaum an ihn, außer dass er etwas besser genährt und gekleidet war als die anderen. Er hat mir eine Taschenuhr angeboten, wahrscheinlich gestohlen. Danach ist er noch ein paar Mal da gewesen, aber so etwas Gutes hatte er nie wieder.« Der Pfandleiher ging zu einem Wandschrank, kramte ein bisschen darin herum und zog schließlich eine goldene Uhr an einer goldenen Kette hervor. »Diese Uhr war das. Ich habe dem Jungen fünf Shilling dafür gegeben, aber sie ist sicher zehn Pfund wert. Ich gebe Sie Ihnen für das, was ich dem Jungen gezahlt habe.«
    »Und was wollen Sie dafür von mir?«
    »Sie müssen mir sagen, woher Sie so gut über mich Bescheid wissen. Sie mögen ein Detektiv sein, aber ich glaube nicht, dass Sie sich einmal hier umschauen und alles einfach so aus der Luft zaubern.«
    »Es war alles so offensichtlich, dass eine Erklärung nur offenbar machen würde, was für einen schlechten Tausch Sie da vorschlagen.«
    »Aber ohne diese Erklärung kann ich nicht mehr ruhig schlafen.«
    »Na schön, Mr. Johnson. Dass Sie ein gebildeter Mensch sind, hört man schon an Ihrer Sprache. Außerdem sehe ich, dass Sie Flauberts Briefe an George Sand im Original lesen, und Französisch lernen in der Regel nur die besseren Kreise. Außerdem haben Sie viel Klavier gespielt, das sieht man an Ihren Fingern. Dass Sie jetzt an diesem Ort arbeiten, deutet auf eineKatastrophe in Ihrem Leben hin, zumindest darauf, dass Sie Ihren Reichtum und Ihre Stellung rasch eingebüßt haben. Die Ursachen für diese Dinge sind immer dieselben: Alkohol, Drogen oder geschäftliche Fehlspekulationen. Aber Sie reden von ›Einsätzen‹ und nennen Ihre Kunden Täubchen, als wären Sie ein berufsmäßiger Spieler. Außerdem haben Sie eine nervöse Angewohnheit: Die Art und Weise, wie sich Ihre Finger bewegen, lässt an den Würfeltisch denken.«
    »Aber wie kommen Sie auf das Gefängnis?«
    »Jemand hat Ihnen die Haare geschoren wie einem Terrier – das machen sie nur im Gefängnis. Aber Ihre Haare sind schon wieder nachgewachsen, was darauf hindeutet, dass Sie ungefähr im September wieder rausgekommen sind. Die Farbe Ihrer Haut bestätigt diesen Befund. Der letzte Monat war sonnig und warm, und es ist offensichtlich, dass Sie ihn in Freiheit verbracht haben. An Ihren Handgelenken sind Druckstellen und Verletzungen, die darauf hindeuten, dass man Ihnen Handschellen angelegt hat und dass Sie sich dagegen gewehrt haben. Die typische Straftat für einen Pfandleiher ist Hehlerei. Und dass Sie eine Zeitlang nicht in Ihrem Laden gewesen sind, sieht man daran, dass die Bücher im Schaufenster verstaubt sind, ebenso die Regale. Andererseits gibt es eine Menge Waren, die sauber und blank sind, so wie diese Uhr zum Beispiel. Daraus kann man schließen, dass Sie in letzter Zeit viele Angebote gehabt haben.«
    Johnson schüttelte verwirrt den Kopf und gab Holmes die goldene Uhr. »Vielen Dank, Mr. Holmes. Sie haben wirklich alles genau getroffen. Ich stamme aus einer guten Familie in Sussex und hatte große Hoffnungen auf eine Laufbahn als Pianist. Als das scheiterte, habe ich Jura studiert und hätte damit vielleicht auch Erfolg gehabt, wenn

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