Das Geheimnis meiner Mutter
ausfüllen und unterschreiben, der sie über alle Risiken aufklärte und mit dem sie erklärte, dass sie die Klinik für mögliche Komplikationen nicht verantwortlich machen würde. Die Sprache, in der der Fragebogen verfasst war, schüchterte Daisy ein. Ihre Mom streckte die Hand aus und rieb ihren Rücken, wie sie es immer getan hatte, als Daisy noch klein gewesen war. „Alles wird gut. Ich habe mir die Statistiken angeschaut. Die Risiken sind weitaus geringer als beim Austragen eines Babys.“
Daisy nickte und wünschte sich ein Zeichen von oben, das ihr sagte, was das Richtige war. Stattdessen krochen die Minuten vorbei. Ihre Mom wartete mit ihr, bis Daisys Name aufgerufen wurde. Sie standen beide auf und umarmten einander.
„Ich liebe dich, Baby“, flüsterte Sophie.
„Wir sehen uns gleich wieder“, entgegnete Daisy.
„Ich warte hier auf dich.“
„Okay.“ Dann trat Daisy einen Schritt zurück, atmete tief durch und ging durch die geöffnete Tür.
Greg tigerte auf und ab. Er war überrascht, noch keine Furche in den Fußboden gelaufen zu haben, so lange lief er schon hin und her. Wo zum Teufel blieben sie?
Er hörte den Fernseher aus dem Nebenzimmer, gedämpfte Dialoge, untermalt von Studiogelächter. Max war gerade in diesem Alter, wo er sich wahllos alles im Fernsehen anschaute.
Ohne einen wirklichen Grund hatte Greg das Gefühl, weinen zu wollen. Er sollte doch eigentlich erleichtert sein. Wenn Daisy nach Hause kam, wäre sie nicht mehr schwanger, und alles wäre wieder normal.
Nicht, dass normal in seinem Fall ein unbedingt erstrebenswerter Zustand wäre. Während er darüber nachdachte, hörte er aus dem Nebenzimmer einen Werbespot für ein Anti-Fußpilzmittel. Hier war er nun, in der Mitte seines Lebens, und fing noch einmal ganz von vorne an. Aber er hatte nicht mehr seine jugendliche Unbekümmertheit, den Schwung und die Naivität, die ihn antrieben. Nur die täglichen Sorgen um die Kinder und das Geschäft. Und die gottserbärmliche Einsamkeit, die in ihm heulte, wenn er nachts allein im Bett wach lag.
Eines wusste Greg über sich – er war nicht dafür gemacht, allein zu sein. Sophie hatte es auch bemerkt und die Theorie aufgestellt, dass er es als jüngstes Kind nicht gewohnt war, sich in seiner alleinigen Gegenwart gut zu fühlen.
Sophie, Sophie, Sophie. Sie hatte viele Theorien aufgestellt. Sie war Anwältin. Noch dazu eine gute.
Er zog sein Portemonnaie aus der hinteren Hosentasche und fand die Visitenkarte, die Nina Romano ihm gegeben hatte. Darauf war ein Wasserrad zu sehen – das Wappen der Stadt. Darunter stand: Nina Romano, Bürgermeisterin, dazu drei Telefonnummern und eine E-Mail-Adresse. Er drehte die Karte um und sah, dass sie „Willkommen!“ daraufgeschrieben hatte. Machte sie das bei allen neu Zugezogenen, oder war er etwas Besonderes?
Das Geräusch eines herannahenden Autos riss ihn aus seinen Gedanken. Er steckte die Karte wieder weg. Dann riss er die Tür auf und stürmte nach draußen. „Ist alles in Ordnung?“, wollte er wissen, als Sophie auf der Fahrerseite aus dem Mietwagen ausstieg.
Mit zusammengepressten Lippen und finsterer Miene nickte Sophie. „Ihr geht es gut.“
Seine Hände zitterten, als Erleichterung ihn erfasste. Greg öffnete die Beifahrertür, und Daisy stieg aus. Sie sah unerwartet gut aus, die Wangen gerötet und die Augen strahlend.
„Lass mich dir nach drinnen helfen“, sagte er.
„In einer Minute“, erwiderte sie. „Erst muss ich dir noch was sagen.“
Er warf Sophie einen Blick zu. Ihr kühler Gesichtsausdruck verriet ihm nichts.
„Dad, ich habe es nicht getan.“ Ihre Stimme hatte einen zittrigen, beinahe hysterischen Unterton.
„Was hast du nicht getan?“
„Ich habe meine Meinung geändert. Ich werde dieses Baby bekommen.“
24. KAPITEL
J ennys Magen zog sich zu einem festen Knoten zusammen, als die Bremsen kreischten und der Zug in Avalon hielt. Sie sagte sich, dass es keinen Grund gab, sich schlecht zu fühlen. Nervös zu sein. Sie kam nach Hause. Das sollte sie glücklich machen.
Stattdessen fühlte es sich wie eine Niederlage an. Vor einem Monat war sie nach New York gefahren und hatte erwartet … was? Dass ihr Leben sich von jetzt auf gleich in eine Episode aus Sex and the City verwandeln würde? Dass sie einfach nur das Leben genießen müsste, während die Welt erkannte, wie genial sie war? Dass sie sofort von interessierten, faszinierenden Freunden umgeben wäre? Sie hätte die ganze Angelegenheit
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