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Das Geheimnis meiner Mutter

Das Geheimnis meiner Mutter

Titel: Das Geheimnis meiner Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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etwas völlig alleine tat. Man musste sich eine Ausrüstung zusammensuchen und eine ganze Nacht alleine auf Spruce Island verbringen, der kleinen Insel inmitten des Sees. Der Chef der Betreuer dieses Jahr, Greg Bellamy – der jüngste Sohn der Besitzer –, hatte erklärt: „Es hilft, den Charakter zu stärken. Und wenn du dich dabei zu Tode ängstigst, ist das wenigstens gut für deine Gedärme.“ Man sollte ein Feuer machen und über tiefsinnige Dinge nachdenken. Rourke vermutete allerdings, dass Joey sich einfach nur einen runterholte, was die Lieblingsbeschäftigung aller Jungs in ihrem Alter war.
    Das Piepen eines rückwärts fahrenden Trucks riss ihn aus seinen Gedanken. Er trat ans Fenster und sah einen weißen Kastenwagen, der an den Seiten mit einem rauschenden Fluss bemalt war. Darüber stand in kunstvollen Buchstaben „Sky River Bakery – gegründet 1952“.
    Rourke war bereits ein großer Freund der Campküche und vor allem der Backwaren. Die Brote und Brötchen, Plunderstücke, Donuts und Nachtische waren einfach himmlisch.
    Er wollte sich gerade wieder der Büchersammlung zuwenden, als er bemerkte, wie sich drei Jungen an den Truck heranschlichen. Es waren welche aus seiner Hütte – Jacobs, Trent und Robson. Er kannte sie nicht sonderlich gut, aber er wusste, dass sie Idioten waren. Sie ärgerten gerne die schwächeren Kinder, was bedeutete, dass sie Rourke in Ruhe ließen. Sie schienen ihn sogar als einen der Ihren zu betrachten, auch wenn er bei ihren Streichen nie mitmachte.
    Im Moment schubsten sie niemanden herum, sondern klauten. Sie hatten sich an die rückwärtige Tür des Lieferwagens herangeschlichen und nahmen sich von den rollbaren Regalen so viele Kekse, wie sie in ihre Münder und Hosentaschen stopfen konnten.
    Schwachköpfe. Irgendjemand verdiente sich damit seinen Lebensunterhalt. Auch wenn Rourke noch keine Erfahrungen damit gemacht hatte, selber Geld verdienen zu müssen, wusste er dennoch, wie das war. Schließlich sah er es jeden Tag bei Joey und dessen Vater. Rourke wusste, dass derjenige, der den Lieferwagen fuhr, es sich vermutlich nicht leisten konnte, die Kekse dutzendweise an die reichen Gören aus dem Camp zu verschenken.
    Das brachte ihn in eine unangenehme Situation. Wenn er den Jungen sagte, sie sollten es lassen, würde er den Rest des Sommers als Petze verschrien werden. Wenn er allerdings das, was da vor sich ging, ignorierte, würde er sich selber für seine Feigheit hassen.
    Als Trent etwas nahm, das aussah wie ein ganzer Blaubeerkuchen, traf Rourke eine Entscheidung. Er wollte gerade nach draußen stürmen, als jemand aus dem Lieferwagen kletterte – ein dunkelhaariges Mädchen, das anscheinend auf dem Beifahrersitz gesessen hatte. Sie war ungefähr in Rourkes Alter, vielleicht ein kleines bisschen jünger. Ihr Haar war zu zwei Zöpfen geflochten, und sie trug abgeschnittene Jeans, ein rotes T-Shirt und ungeschnürte Turnschuhe. Sie war einfach nur ein Mädchen.
    Nur dass Rourke sich ganz komisch fühlte, als er sie anschaute. Er hätte allerdings nicht sagen können, warum. Ihre großen Augen verliehen ihr eine beinahe altmodische Schönheit, und sie trug einen gewitzten Ausdruck im Gesicht.
    Und im Moment wurde sie beklaut.
    Vielleicht. Er konnte nicht hören, was sie sagte, aber die drei Jungs hörten ihr definitiv nicht zu. Sie nahmen sich weiter Brötchen und Gebäck. Sehr wahrscheinlich war ihnen inzwischen schon schlecht, so viel wie sie gegessen hatten, aber trotzdem machten sie weiter.
    Das Mädchen redete immer noch. Vielleicht steckte sie mit den Jungen unter einer Decke. Vielleicht war es für sie in Ordnung, danebenzustehen und zuzusehen, wie sie klauten.
    Vielleicht interpretierte Rourke die Situation aber auch ganz falsch.
    Er rannte zur Tür, die Treppen hinunter und um das Haus herum zum Kücheneingang. Durch ein Fenster sah er den Fahrer des Lieferwagens – einen älteren Herrn – mit Mrs Romano plaudern, die in der Küche das Zepter schwang. Sie schienen überhaupt nicht zu merken, was draußen vor sich ging. Der blecherne Klang eines Radios wehte an sein Ohr.
    Er kam gerade rechtzeitig um die Hausecke, um zu sehen … nun, er war sich nicht sicher, was er sah. Trent hatte das Mädchen gegen den Lieferwagen gedrückt und sie … igitt, machten die beiden etwa miteinander herum? Er wollte sich gerade angewidert wegdrehen, als ihm ein kleines, aber wichtiges Detail ins Auge fiel. Trent hielt nicht die Hand des Mädchens, sondern ihr

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