Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis meiner Mutter

Das Geheimnis meiner Mutter

Titel: Das Geheimnis meiner Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
Vom Netzwerk:
Handgelenk und drückte es gegen die Ladewand. Ihre andere Hand hatte sie angstvoll erhoben, wie eine Ertrinkende, die kurz vorm Untergang noch mal an die Oberfläche kam.
    In diesem Moment passierte etwas mit Rourke. Er hätte schwören können, dass er ein Knacken in seinen Ohren gehört hatte. Dann wurde ihm ganz heiß, als stünde er inmitten eines Waldbrandes. „Seht bloß zu, dass ihr Land gewinnt“, sagte er mit einer so ruhigen, aber ernsten Stimme, dass alle drei Jungen sich zu ihm umdrehten.
    Als er ihn erkannte, grinste Trent. „Hey, McKnight. Nimm dir einen Donut und warte ab, bis du an der Reihe bist.“
    Rourke war nah genug dran, um einen hauchdünnen Schweißfilm über der Oberlippe des Mädchens erkennen zu können. Und er sah die Angst in ihren Augen. Er packte Trent und riss ihn mit einer zügigen Bewegung von dem Mädchen weg. Trent war ein großer, kräftiger Achtklässler, Mitglied des Wrestlingteams an seiner Schule, aber er fühlte sich an wie aus Watte, als Rourke ihn zu Boden warf.
    Die anderen beiden Jungen erholten sich von ihrer Überraschung und warfen sich auf Rourke. Doch das hielt ihn kaum auf. Er riss seinen Kopf hoch und traf Jacobs mit dem Hinterkopf direkt im Gesicht. Dann stieß er Robson seinen Ellbogen in den Magen, woraufhin der wankte und auf die Knie sank. Trent versetzte ihm ein paar Treffer, aber Rourke spürte sie kaum. Methodisch und ohne nachzudenken, trommelte er mit beiden Fäusten auf seinen Gegner ein und ignorierte Trents Gewinsel um Gnade.
    Rourke war sich nicht sicher, wie es möglich war, aber er spürte mit einem Mal eine leichte Berührung an seiner Schulter. So zart wie der Flügelschlag eines Vogels.
    „Hör auf“, sagte eine zitternde Stimme. „Das reicht.“
    Rourkes inneres Feuer glimmte noch einmal auf und erlosch dann. Er ließ von Trent ab, der sich beeilte, auf die Füße zu kommen. Sein Gesicht war eine blutige, geschwollene Maske der Angst. „Meine Güte“, sagte er und wischte sich mit dem Handrücken einen Blutstropfen vom Kinn. „Du hättest mich umbringen können. Du bist ja verrückt, Mann. Total irre.“
    Seine Freunde halfen ihm auf und stützten ihn. Vermutlich brachten sie ihn auf die Krankenstation. Rourke schaute ihnen hinterher. Er fühlte sich innerlich komplett leer, wie ausgebrannt von der Wut.
    „Hey“, sagte das Mädchen.
    Sein Kopf fuhr zu ihr herum, und sie sprang mit abwehrend erhobenen Händen einen Schritt zurück. Plötzlich war er verlegen, als wenn sie ihn nackt gesehen hätte oder so. „Hey“, sagte er und zwang sich, wieder locker zu werden, um ihr zu zeigen, dass er ihr nichts Böses wollte.
    „Ich habe einen Erste-Hilfe-Kasten im Auto. Komm.“ Sie ging um den Lieferwagen herum und holte einen gut ausgestatteten Erste-Hilfe-Kasten heraus. „Zeig mal deine Hände“, sagte sie.
    Er bemerkte überrascht, dass die Haut an seinen Knöcheln ganz rot und aufgeplatzt war. Sie wischte die Stellen mit einem antiseptischen Tuch ab. Dann strich sie eine brennende Flüssigkeit auf die Wunden und klebte zum Schluss Pflaster darauf.
    Auch wenn ihn seine gewalttätige Reaktion auf Trent selber überrascht hatte, musste Rourke doch vor sich selbst zugeben, dass er nicht das erste Mal zu jemandes Verteidigung geschritten war. Das passierte ihm einfach. Er hasste-hasste-hasste es, zusehen zu müssen, wie ein Lebewesen – ob Mensch oder Tier – von jemand anderem drangsaliert wurde. Es machte ihn – wie hatte Trent es noch ausgedrückt – total irre. Letztes Jahr hatte er gesehen, wie einige Jungen von Joeys Schule ihn wegen seiner langen Haare und seines kindlichen Gesichts aufgezogen hatten. Zum Glück hatten sie sich auf Rourkes mit leiser Stimme ausgesprochene Drohung hin aus dem Staub gemacht, denn wenn es zu einer Schlägerei gekommen wäre, hätte Rourke vermutlich bleibende Schäden verursacht.
    „Jetzt muss ich mich noch um deine Wange kümmern“, sagte das Mädchen.
    „Meine Wange?“ Rourke verdrehte den Kopf, sodass er in den Seitenspiegel des Lieferwagens schauen konnte. Tatsächlich, er hatte einen eindrucksvollen Schnitt auf dem Wangenknochen. „Den habe ich gar nicht bemerkt.“
    Mit einem frischen antiseptischen Tuch reinigte sie die Wunde. „Es blutet zwar nicht stark, aber es kann sein, dass es trotzdem genäht werden muss.“
    „Auf keinen Fall. Dann müssen sie meine Eltern informieren, und ich werde nach Hause geschickt.“ Er würde es nicht ertragen, wenn er das Camp jetzt verlassen müsste.

Weitere Kostenlose Bücher