Das Geheimnis unserer Herzen: Roman (German Edition)
Beste, er könnte sie überreden, nach England zurückzukehren, wo sie sicher sein würde. Vielleicht würde er sie aber nicht nach London bringen, sondern besser noch zu einem seiner Landsitze, wo sie fernab jeder Gefahr sein würde. Er überlegte, ob es irgendetwas gab, was er ihr anbieten könnte, ob er gewissermaßen einen Handel mit ihr schließen könnte, damit sie sich überreden ließ zu gehen. Aber während er noch darüber nachdachte, wusste er schon, dass das nicht funktionieren würde. Vanessa war eine intelligente Frau, die sich nicht mit hübschem Talmi oder dergleichen bestechen lassen würde, um zu gehorchen.
Er hatte keine Ehefrau gewollt, aber das spielte jetzt keine Rolle mehr, egal, in welche Schwierigkeiten sie sich noch bringen würde. Und ihre wissbegierige Natur war vermutlich genau das, was die hemmungslose Leidenschaft erzeugt hatte, die er gestern Nacht in ihr entdeckt hatte.
Mit schnellen Schritten ging er weiter und erreichte eine Stelle, wo der Tunnel sich so stark verschmälerte, dass er sich bücken musste, um voranzukommen. Wieder schoss ein scharfer Schmerz durch seinen Arm, als er ihn an seinen Körper drückte, um in den schmalen Gang hineinzupassen. Sein Licht flackerte, was ihm zeigte, dass weiter vorn mehr Luft war. Von diesem neuen Luftstrom ermutigt, beschleunigte er seine Schritte.
»Vanessa«, rief er.
Er erhielt keine Antwort. Verdammt. Vielleicht hatte er eine völlig falsche Richtung eingeschlagen. Trotzdem ging er weiter. Irgendwann verbreiterte sich der Tunnel wieder, und Graeme befand sich an der Stelle, wo Vanessa vorher noch gestanden hatte – der offene Spalt lag jetzt zu seiner Linken und direkt vor ihm eine teilweise zusammengebrochene Mauer.
»Vanessa?«, rief er wieder. Wo zum Teufel steckte sie?
***
Vanessa starrte das Skelett zu ihren Füßen an und fragte sich, was wohl zum Ableben dieses Menschen geführt haben mochte. Sie sah keine offensichtlichen Anzeichen für die Art des Todes, wie ein Schwert oder eine ähnliche Waffe, die aus dem Gerippe ragten. Wäre die Person erschossen worden, ließe sich das nicht mehr feststellen, da das Fleisch inzwischen völlig weggefressen war. Die einzigen Überreste waren ein Skelett in Kleidern, die viel zu groß für die Person erschienen, wie bei einem jungen Mädchen, das eins der Kleider seiner Mutter trug – etwas, was Vanessa noch nie getan hatte, ihre beiden Schwestern aber schon. Vielleicht hatte diese arme Seele sich verirrt und sich hier einfach hingelegt, nachdem sie jede Hoffnung aufgegeben hatte, und war verhungert.
Vanessa kniete sich hin, um die unmittelbare Umgebung des Gerippes abzusuchen, fand aber nichts von Interesse, sodass sie schließlich daran vorbeiging und ihren Weg fortsetzte. Der Tunnel verschmälerte sich noch mehr.
Ihr ganzer Körper zitterte buchstäblich vor Erregung, aber sie wusste, dass auch Furcht ihren Teil dazu beitrug. Sie hatte noch nie eine Leiche gesehen und konnte nicht verhindern, dass sie jedes Mal erschauderte, wenn sie an die leeren Augenhöhlen dachte. Sie war froh, dass nichts als die Knochen zurückgeblieben waren.
Weiter vor ihr konnte sie Steinformationen sehen und hielt ihre Kerze hoch, um mehr zu erkennen. Grobe Rillen verliefen über Wand und Boden, als hätte sich Wasser in den Fels gegraben und Narben hinter sich zurückgelassen. Stalagmiten ragten vom Höhlenboden auf wie alte Männer in sandfarbenen Gewändern, und von der Decke hingen Stalaktiten in einem willkürlichen, gezackten Muster.
Dies schien auf jeden Fall ein älterer Teil der Höhle zu sein. Wasser rann durch einen kleinen Spalt zu ihren Füßen und machte ein Geräusch, das sich schon beinahe wie Musik anhörte. Vanessa trat noch tiefer in die Höhle und achtete sehr sorgfältig darauf, wohin sie ihren Fuß setzte. Die scharfen Stalaktiten hingen zusammen wie Klumpen, was es fast unmöglich machte, einige Bereiche zu durchqueren. Verbunden mit einigen der massiven Gesteinsformationen, die sich aus dem Boden erhoben, war die Höhle ein regelrechtes Labyrinth.
Außerstande, der Versuchung zu widerstehen, streckte Vanessa die Hand aus und strich mit den Fingern über einen der klumpigen Stalagmiten rechts von ihr. Er war kalt und feucht und so kompakt, dass er sich fast wie eine grob behauene Statue anfühlte.
»Vanessa!«
Sie fuhr herum beim Klang der Stimme, die weit hinter ihr durch den Tunnel schallte.
»Vanessa!« Das hörte sich auf jeden Fall nach Graeme an.
Hatte er eine
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