Das Geheimnis unserer Herzen: Roman (German Edition)
gefunden hatten, und natürlich auch von den Steinen, die er nun besaß. Der Mann kam dem Königsmacher gefährlich nahe.
»Du siehst sehr hübsch aus«, sagte Esme zu Vanessa.
»Danke.« Vanessa lächelte sie an. »Dieses Kleid gehörte zu meiner Aussteuer, meine Mutter wollte, dass ich es trage, wenn ich meine erste eigene Dinnerparty gebe.«
»Es ist bezaubernd«, sagte Esme, und Vanessa fragte sich, was Graeme seinen Freunden über seine unerwartete Heirat erzählt haben mochte.
Sie setzten sich an einen großen, reich geschnitzten Tisch aus Mahagoni. Er stand in der Mitte eines prunkvollen Speisezimmers mit einer weiteren Deckenmalerei, die mit viel Blattgold und Engelchen versehen war. Hätte Vanessa raten müssen, wäre sie jede Wette eingegangen, dass dieses Gemälde auch kein restauriertes Original war, sondern vielmehr Mr. Randolphs eigenem Vergnügen diente. Der Amerikaner liebte ganz offensichtlich Luxus und Gepränge.
Die Vanessa gegenüberliegende Wand war fast vollständig von einem sehr alt aussehenden Wandteppich bedeckt. Die schön und elegant gewobene Tapisserie stellte das Gebäude dar, wie es einst gewesen war, als einen hoch über die Hügel hinausragenden Familiensitz. Vanessa nahm sich vor, sich diesen Wandteppich noch einmal genauer anzusehen, bevor sie gingen.
Ihr Gastgeber überschlug sich fast, um Graemes Mutter zu beeindrucken, wie der belustigt feststellte. Und falls Graeme sich nicht irrte, flirtete sie auch. Er hatte seine Mutter noch nie mit einem Mann flirten oder lachen sehen. Da seine Eltern sich getrennt hatten, als er noch sehr klein gewesen war, hatte er nie etwas anderes als gnadenlose Streitereien zwischen ihnen mitbekommen.
An seiner anderen Seite saß still und mürrisch Dougal, dessen junges Gesicht von einem permanenten Stirnrunzeln geprägt war.
Graeme war neun Jahre zuvor in dieser Abtei gewesen, bevor Mr. Randolph ihre einstige Pracht wiederhergestellt hatte. Aber Graeme wusste, was unter dem Gebäude lag – ein tiefer Abgrund und eine geheime Kammer voller Schätze. Er konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob Randolph schon den verborgenen Aufzug entdeckt hatte, der dort hinunterführte, aber er dachte natürlich nicht im Traum daran, den Mann danach zu fragen.
***
Vier Stunden später waren alle wieder daheim. Vanessa und Moira hatten sich schon entschuldigt, um zu Bett zu gehen, und Graeme griff nach Dougals Arm, als auch der Junge sich zurückziehen wollte. »Was zum Teufel ist eigentlich mit dir los, Dougal? Du bist so anders neuerdings.«
Der Junge entzog ihm seinen Arm. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, sagte er, ohne Graeme anzusehen.
»Du kannst mir nicht mal in die Augen sehen, bist nervös in Gegenwart meiner Frau und würdigst sie kaum eines Blickes, und wenn du es doch mal tust, dann starrst du sie nur böse an. Du bist fast ständig unterwegs und lässt dir nichts von Mutter sagen.« Graeme schüttelte den Kopf. »Das alles sieht dir gar nicht ähnlich, Junge. Ich weiß, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist.«
»Das ist meine Sache.« Dougal erwiderte endlich Graemes Blick, dem zum ersten Mal bewusst wurde, wie ähnlich sein Bruder ihrem Vater sah. Sie hatten die gleiche Größe, auch wenn Dougal noch den schlaksigen Körper eines Jungen statt den eines Mannes hatte, und sie hatten das gleiche hellbraune Haar und die gleichen braunen Augen. »Ich bin jetzt mein eigener Herr, und was ich tue, geht dich gar nichts an«, erklärte Dougal schroff.
Graeme hätte ihm beinahe widersprochen, aber in gewisser Weise hatte Dougal recht. Zumindest glaubte der Junge, er hätte recht, und Graeme erinnerte sich, früher einmal genauso gedacht zu haben. Er hatte die gleiche Auseinandersetzung – oder eine sehr ähnliche – mit ihrem Vater geführt, und sie war nicht gut für ihn ausgegangen.
Graeme hatte zwei Möglichkeiten. Entweder zwang er den Jungen zu reden und riskierte, ihn für immer zu verlieren, oder er ließ ihn weiter den Weg beschreiten, den er eingeschlagen hatte und auf dem er sich mit größter Wahrscheinlichkeit in Schwierigkeiten bringen würde. Besonders, wenn er sich in irgendeiner Weise mit dem Raben eingelassen hatte.
»Du kennst diesen Mann nicht«, sagte Graeme vorsichtig. »Du weißt nicht, in was für Gefahren du dich an seiner Seite bringen könntest.«
Dougals Augen weiteten sich einen Moment vor Überraschung, aber dann verengten sie sich argwöhnisch. »Du weißt ja nicht mal, wovon du sprichst.«
»Schon möglich,
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