Das Geheimnis unserer Herzen: Roman (German Edition)
ihnen. »Keine Ratespielchen mehr«, sagte Graeme.
»Auf keinen Fall.«
Eine ganze Weile schwiegen sie, und Vanessa dachte über die Veränderungen in ihrem Leben nach, seit sie Graeme begegnet war. So kurz nach ihrer Heirat wollte sie nicht schon Witwe werden, und sie war im Begriff, es ihm zu sagen, als er wieder sprach.
»Ich glaube, ich habe die Richtige gefunden«, murmelte er.
Vanessa stand auf. »Welche ist es?«
Er zeigte auf die am weitesten entfernte Planke in der linken Ecke.
»Warum gerade die? Weil es die schmalste und daher die gefährlichste ist?«
»Nein, weil der Weg der Rechtschaffenen ein schmaler ist«, antwortete Graeme, während er sich erhob.
»Natürlich! Wie dumm von uns!«, rief Vanessa, und bevor sie sich beherrschen konnte, umfasste sie mit beiden Händen sein Gesicht und zog ihn zu einem schnellen Kuss an sich heran. »Nur für alle Fälle.«
Er nickte. »Ich glaube, diese Wand geht nach Osten, aber ohne die Sonne zu sehen, kann ich mir nicht sicher sein. Trotz der Darstellung auf dem Wandteppich meine ich, dass der Ritter den Stein der Vorsehung als ersten in diese Mauer gesetzt hat, nicht mitten hinein. In den Eckpfeiler beispielsweise«, sagte Graeme.
»Nun, es gibt Leute, die glauben, dass der Stein der Vorsehung der Eckpfeiler von König Davids Palast gewesen ist«, sagte sie. »Demnach wäre also völlig logisch, was du sagst.«
»Genau.« Er atmete tief ein, und ohne ein weiteres Wort zu sagen, trat er auf das schmale Brett. Es ächzte unter seinem Gewicht, aber es bewegte sich nicht. Vorsichtig setzte Graeme einen Fuß vor den anderen, und die Brücke hielt, bis er auf der anderen Seite war.
»Du weißt, dass es schlimme Folgen haben könnte, wenn ich das Brett entfernte«, sagte er, als er Vanessas Blick erwiderte. »Die Mauer könnte einstürzen, und dann würden wir hier vielleicht in der Falle sitzen.« Er schwieg für einen winzigen Moment. »Für immer.«
Vanessa lachte unsicher. »Nein, denn Fielding und Esme wissen, wo wir sind, und sie werden uns retten, falls irgendetwas schiefgehen sollte.«
Aus der Entfernung sah sie Graemes Gesicht nicht klar genug, aber sie konnte sich sein mutwilliges Grinsen und seine funkelnden grünen Augen vorstellen. Um sich von dem Gedanken daran abzulenken, holte sie tief Luft und wartete.
Er hielt inzwischen schon den Meißel an den Mörtel und trieb ihn mit einem Hammerschlag hinein. Der Lärm schallte durch die Kammer und erzeugte eine ganze Serie von Echos. Nach und nach entfernte Graeme den Mörtel, bis er den Stein bewegen konnte. Er verschob ihn nach rechts und links und schlug ihn gegen die anderen Steine, um ihn freizubekommen. Ein Riss öffnete sich in dem Mörtel rechts von ihm und zog sich knackend an der Wand hinauf. Graeme hörte augenblicklich auf, sich zu bewegen.
Auch Vanessa, die sogar Angst hatte auszuatmen, um die Wand nicht zu erschüttern, stand reglos da und beobachtete den Riss. Sie spürte, wie sich ihre Augen weiteten, als sie mit angehaltenem Atem wartete, ob die Wand einstürzen würde. Aber das Knacken verstummte, der Mörtel brach nicht weiter, und alles wurde wieder still um sie.
Graeme machte sich wieder an die Arbeit, bis es ihm gelang, den Stein aus der Mauer herauszulösen. Mit dem Sandsteinziegel in der Hand überquerte er schnell wieder die schmalste Planke.
Der Stein war fast identisch mit dem, den Vanessa viele Male in Westminster gesehen hatte, einschließlich der Einkerbungen für die Edelsteine an der Rückseite.
»Das ist er«, flüsterte Graeme ehrfürchtig.
»Bist du sicher?«
»Sieh dir das mal an«, sagte er und zeigte auf eine kleine, schon fast nicht mehr zu erkennende Gravur in dem Stein. »Das ist das Zeichen König Davids, das an dem Stein in Westminster fehlt. Und die hier –«, er drehte ihn, um Vanessa die Unterseite mit den drei in einer Linie angebrachten Einkerbungen zu zeigen – »sind für die Edelsteine. Dies hier ist der echte Stein der Vorsehung, Vanessa.«
Wenig später machten Graeme und Vanessa sich auf den Weg zu dem kleinen Boot, mit dem sie den Loch Ness überquert hatten. Graeme legte den Stein der Vorsehung aus der Hand und half Vanessa in das Boot, bevor er nach ihr einstieg. Am grauen Horizont erschienen schon die ersten schwachen Sonnenstrahlen.
Graeme stieß das Boot vom Ufer ab und tauchte die Ruder in das schwarze Wasser. Beim Rudern beobachtete er Vanessa, die mit großen Augen in das dunkle Wasser starrte, dann mit der Hand über den
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