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Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Titel: Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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schlechtes Gewissen. Immerhin hätte er dem Herausgeber gestern noch Bescheid geben können, damit dieser sich die Arbeit erspare. Das ist mir jetzt aber höchst unangenehm, dachte er. Da Herr Schweitzer seinem alten Kumpel aber nicht am Telefon die Vergeblichkeit seiner unsäglichen Mühen mitteilen wollte, schickte er ihm die Nachricht, am Nachmittag mal bei ihm in der Redaktion vorbeizuschauen. Gruß Simon.
    Dem lautstarken Donnergrollen folgte ein tropischer Regenguß. Im Nu waren Frankfurts Straßen überflutet. Fasziniert betrachtete Herr Schweitzer das Schauspiel. Ganze Äste und Zweige wurden von den Wassermassen den Lerchesbergring herabgetrieben, bis sie am Gully hängenblieben. Er erschrak heftig, als Pepsi auf die Fensterbank sprang. Das klitschnasse Fell der kleinen schwarzen Katze ließ sie noch dünner erscheinen, als sie ohnehin schon war. Es war schon fast eine Kunst, blitzschnell das Fenster zu öffnen und zu schließen, ohne daß die Wohnung unter Wasser gesetzt wurde. Pepsi miaute, als habe er ihr gerade das Leben gerettet. Herr Schweitzer hob sie auf und wickelte sie in ein Geschirrtuch.
    Auch Maria war von dem Naturschauspiel wach geworden. Sie schaltete das Licht an, als sie zu ihm kam. „Guten Morgen, ihr zwei. Ist noch Kaffee da?“
    „Klar, Schatz. Küßchen!“
    So schnell wie das Unwetter gekommen war, verschwand es auch wieder. Der Asphalt dampfte, als verlaufe unter ihm ein pyroklastischer Strom, der seine Verdunstungen durch haarfeine Risse in der Straßendecke gen Himmel sandte. Da auch die Sonne wieder mit voller Kraft schien, war es nur eine Frage der Zeit, bis die letzten Spuren des kurzen Intermezzos beseitigt waren.
    Herr Schweitzer schwitzte, was ausnahmsweise nichts mit seiner Unsportlichkeit zu tun hatte, sondern mit der hohen Luftfeuchtigkeit. Da ihm der 36er-Bus gerade vor der Nase weggefahren war, hatte er sich spontan zu einem kleinen Spaziergang bergab zum Sachsehäuser Käsblättche entschlossen. Eine Angelegenheit von gut dreißig Minuten, sofern er unterwegs nicht auf Bekannte stieß und mit einem kurzen Schwätzchen aufgehalten wurde.
    Kurz vor der Wallstraße kam aber doch noch ein Anruf seines Kreditkarteninstituts dazwischen. Darauf hatte Herr Schweitzer nur gewartet. Seit Monaten raubten sie ihm schon die letzten Nerven. Nein, er sei ganz und gar nicht zufrieden mit ihrem Service, entgegnete er auf deren übliche Einleitung. Es sei eine ausgesprochene Frechheit, permanent von beauftragten Callcentern angeklingelt zu werden, um ihm eine ihrer völlig überflüssigen Versicherungen aufzuschwatzen. Er, Herr Schweitzer, wisse selbst, was er brauche und was nicht. Außerdem weise ein Anruf vom Callcenter stringent darauf hin, daß sich sein Kreditkarteninstitut einen Scheißdreck um die Kunden kümmere. Ob er, der junge Mann am anderen Ende der Leitung, denn nichts Anständiges gelernt habe. Ja, er wisse um die Bildungsmisere. Ein Land wie die Bundesrepublik sei schließlich auf gut ausgebildete Fachkräfte angewiesen, ansonsten es dem unvermeidlichen Untergang entgegensteuere. Breite sich Dekadenz und Dummheit erst einmal flächendeckend aus, erginge es uns wie den alten Griechen und Römern. Aber er, der junge Mann, könne wohl nichts dafür. Er rate ihm aber trotzdem, sich nach einer anspruchsvolleren Tätigkeit umzusehen. Herr Schweitzer schloß mit den Worten: „So! Und was wollen Sie mir jetzt verkaufen?“ Er hatte gesprochen, ohne dem anderen auch nur den Hauch einer Chance zur Unterbrechung zu geben.
    Die Reaktion war die gewünschte. Statt dem Versprechen auf eine äußerst günstige Zahnersatz-Versicherung vernahm er nunmehr ein unbeholfenes Gestammel. Der Lümmel vom Callcenter brachte gerade noch ein „Äh, danke, äh, schönen Tag auch“ heraus.
    „Dem habe ich es aber gegeben“, frohlockte Herr Schweitzer und betrat den blitzsauberen Geschäftsraum des Sachsehäuser Käsblättches.
    Das Foto lag bereits in vergrößerter Form auf dem Schreibtisch. Melibocus telefonierte noch. Offenbar ging es um die diesjährige Wahl zur Sachsenhäuser Brunnenkönigin. Das Gespräch dauerte keine zehn Sekunden mehr.
    Der Herausgeber schenkte sich die Mühe einer Begrüßungsfloskel. „Guckst du, ich war extra noch im Fotoshop. Der Schmidt-Schmitt war gestern noch hier und hat nach dir gefragt.“
    „Hat er was erzählt?“
    „Nö, hab aber auch nach nix gefragt.“
    Herr Schweitzer zog einen Stuhl heran und setzte sich. „Dann weißt du also noch nichts von

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