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Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Titel: Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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keiner mehr. Alle hielten eine oder zwei Bierdosen in der Hand. Eine typische Szene für Alt-Sachsenhausen und ein Grund dafür, warum es mit diesem Viertel langsam, aber stetig bergab ging.
    Der Gedanke, die Aktion abzubrechen, ergriff Besitz von ihm. Er hatte auch nicht mehr die Nerven dafür, wie er sich eingestand. Die beiden anderen Morde hatten aus ihm keinen routinierten Killer gemacht. Er war nach wie vor ein Mensch mit Gefühlen.
    Es war nur ein kurzes Stück bis zur Einbiegung. Die Große Rittergasse lag im Licht der gelben, pseudo-antiken Laternen. Sein erster Eindruck war der einer Evakuierung. Nicht einmal eine einsam pirschende Katze huschte übers Pflaster.
    Selbst die Feuerwehreinfahrt zum Bürgeramt war zugeparkt. Jens Auer blieb gar nichts anderes übrig, als mitten auf der Fahrbahn zu halten. Aber mit Verkehr war eh nicht zu rechnen. Man befand sich in einer Sackgasse. Die im Rückspiegel integrierte rote Digitalanzeige verriet den Fahrpreis. „Macht elf sechzig, bitte.“
    Esterházy öffnete die Tür.
    Jens Auer kannte das. Oft stiegen gerade männliche Fahrgäste erst einmal aus, um besser an ihre in der Hosentasche steckende
    Geldbörse zu gelangen. Er kurbelte das spaltbreit geöffnete Fenster ganz herunter.
    Den in der Mitte gefalteten Zwanzig-Euro-Schein hielt er in der linken Hand, als er den Wagen umkurvte. Nur unbewußt nahm Esterházy wahr, daß sich noch immer kein Mensch in der unmittelbaren Umgebung aufhielt. Er konnte es sich nicht erklären, aber er war plötzlich ganz ruhig. Fast schon wie auf Drogen, was sehr im Einklang mit seinem äußeren Erscheinungsbild stand.
    War es Zufall, daß sich unter seinen Füßen exakt die Stelle befand, an der vor zwanzig Jahren, am 4. Juli 1989, seine Sandra ihr junges Leben für immer ausgehaucht hatte? Nein, an Zufälle glaubte er so wenig wie an Gott. Ein Omen vielleicht? Nein, auch nicht. Eine Botschaft. Eine Botschaft aus dem Jenseits. Ja, das mußte es sein. Jemand versuchte, ihn zu lenken, hatte gütigst die Zügel in die Hand genommen.
    Und er ließ es bereitwillig, nun da er selbst so unendlich machtlos war, mit sich geschehen. „Ihr Vorderreifen ist platt“, sprach eine Stimme, die nicht zu ihm gehörte, aber doch seine war. Sie war viel tiefer als sonst.
    Jens Auer stieg aus und bückte sich. Er musterte den Reifen, haute sogar mit der Faust dagegen. „Aber …“
    „Nichts aber.“ Esterházy war zwei Schritte nach hinten gegangen. Seine Stimme hatte ein merkwürdiges Timbre.
    Der Taxifahrer blickte in die Mündung einer Pistole. Er verstand nicht.
    „Übrigens, ich heiße nicht Müller.“
    „Wie denn?“ Eine lächerliche Frage angesichts der grotesken Lage.
    „Gestatten: Esterházy. Karel Esterházy.“
    Die Schüsse, die folgten, ließen Jens Auer nicht die geringste Chance, doch noch zu verstehen.
    – Ende der Rückblende –
    So müssen Götter speisen, dachte Herr Schweitzer und legte die Serviette auf den Teller. Das Wildgulasch samt Beilagen war verputzt. Nie wieder würde er sich sein Leben mit Diäten versauen. Aber gedanklich hatte sich Herr Schweitzer sowieso schon längst wieder dem gewidmet, was ihn auszeichnete und das er am besten beherrschte: Müßiggang. Auch Felix Melibocus war nicht großartig gram darüber, nun doch keiner reißerischen Story auf der Spur zu sein. Der Bericht über die neue Brunnenkönigin würde ohnehin zwei Seiten der neuen Ausgabe des Käsblättches füllen.
    „So. Ich muß wieder an die Arbeit“, kam es vom Herausgeber, nachdem der kleine Bembel Ebbelwei geleert war.
    „Ich nicht“, ergänzte Herr Schweitzer wahrheitsgemäß. Er hatte einen viel besseren Plan. Als Wegzehrung erstand er beim Brezelbub noch eine Brezel.
    Als sie den Dautel durch den Vordereingang verließen, kam gerade der Nackte Jörg des Weges. Sachsenhäuser kannten ihn bestens, Touristen zweifelten meist an ihrem Verstand, wenn ihnen dieser Nackedei, der laut einem Gerichtsurteil in der Tat nakkisch rumlaufen durfte, das erste Mal begegnete.
    Und weil Sommer war, tummelten sich besonders viele Auswärtige in Sachsenhausen. An den Tischen und Bänken vor der Gaststätte herrschte Hochbetrieb. Wie auf ein Stichwort hin unterbrachen fast alle ihre Gespräche respektive Mahlzeiten, um diese vermeintliche Fata Morgana genauer unter die Lupe zu nehmen. Offene Münder vermittelten den Eindruck, man studiere gerade gemeinsam ein Musikstück ein.
    Der Nackte Jörg genoß die ihm zuteil werdende Aufmerksamkeit.
    Herr

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