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Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Titel: Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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gefährden. Ergo war es doch kein billiger Trick der Kripo, seine Nachbarin zu opfern, nur um seiner habhaft zu werden. Esterházy öffnete, nachdem er die SIG Sauer in den hinteren Hosenbund gesteckt hatte.
    „Guten Tag“, begrüßte er zaghaft die Stewardeß, nicht ohne doch noch einen Blick nach rechts auf die Treppe zu werfen.
    „Ja, guten Tag. Das hier war in Ihrem Briefkasten und hat alles verstopft. Ich dachte, Sie wären vielleicht im Urlaub.“
    „Im Urlaub? Ich?“ sprach Esterházy recht unbeholfen. Die Tage der Selbstverbannung hatten ihre Spuren hinterlassen. Er nahm den großen braunen Umschlag entgegen. „Für mich?“
    „Nein. Entschuldigung. Für Ihre Frau“, sagte Linda. „Vera Esterházy steht drauf.“ Auch die Stewardeß hatte so ihre liebe Müh und Not mit der Situation. „Aber die ist ja gestorben. Mein Beileid, übrigens. Äh …“
    „Ja, danke. Das ist sehr nett von Ihnen. Ich bin krank, wissen Sie! Der Arzt sagt, ich soll für ein paar Tage das Bett hüten.“
    „Oh, kann ich etwas für Sie tun? Einkaufen vielleicht?“
    „Nein, nein. Geht schon. So schlimm ist es auch wiederum nicht. Noch zwei, drei Tage, dann bin ich wieder auf dem Damm.“
    Seine Nachbarin sah ihn fragend an. Esterházy bemerkte seinen Fauxpas. Auch wenn sie ansonsten sehr gut Deutsch sprach, so könnte seine schwedische Nachbarin dennoch Schwierigkeiten mit hiesigen Redewendungen haben. „Äh, ich meine, in zwei, drei Tagen bin ich wieder gesund. Auf dem Damm sein, das sagt man nur so. Ein altes Sprichwort, verstehen Sie?“
    Damit war der sprichwörtliche Damm gebrochen. Linda lächelte. „Ah, natürlich, ein Sprichwort. Gut. Das muß ich mir merken. Ja, dann … ich wünsche Ihnen gute Besserung. Und daß Sie bald wieder auf dem Damm gehen.“
    Esterházy wollte es kaum glauben, aber für ein paar Sekunden hatte es seine Nachbarin geschafft, all die Bitterkeit der letzten Jahre aus seinem Inneren zu verbannen. Er erwiderte das Lächeln. „Ja, das haben Sie gut gesagt, aber man geht nicht auf dem Damm, man ist auf dem Damm.“
    „Man kann auf einem Damm nicht gehen?“
    „Oh, doch, doch. Selbstverständlich kann man auf einem Damm gehen. Nur im Sprichwort nicht. Da ist man wohlauf, wenn man auf dem Damm ist.“
    „Ich bin also auf dem Damm?“
    „Wenn es Ihnen gutgeht: ja.“
    „Mir geht es gut.“
    „Dann sind Sie auch auf dem Damm.“
    „So wie Sie in zwei, drei Tagen?“
    „Genau. So wie ich bald wieder.“
    „Sie sind lustig.“
    Das hatte Esterházy das letzte Mal vor mehr als zwanzig Jahren gehört. Wenn er versucht hatte, seine Tochter zum Lachen zu bringen. Er merkte, wie Trauer und Fatalismus wieder hochkamen. Schnell wollte er das Gespräch beenden. „Ach, nein, ich bin nicht lustig. Und vielen Dank noch einmal für das Päckchen.“
    Linda registrierte den Stimmungsumschwung des Herrn Esterházy. Bestimmt ist er wegen des Todes seiner Frau noch mit den Nerven herunter. Sie hatte volles Verständnis. „Ja, ich gehe dann mal wieder. Wenn Sie mal auf einen Kaffee vorbeikommen möchten …“
    „Ja. Auf Wiedersehen.“ Sachte schloß Esterházy die Tür.
    Minutenlang stand er noch im Flur, unfähig sich zu bewegen. Die Begegnung mit der Realität war zuviel für ihn. Es mußte Jahre her sein, daß Vera und er ein dergestalt langes Gespräch wie eben miteinander geführt hatten. Karel Esterházy konnte sich nicht erinnern, wann das gewesen sein sollte. Ihre Ehe war bis zuletzt eine Zweckgemeinschaft. Nur dafür gedacht, gemeinsam zu leiden, die Qualen in einem erträglichen Rahmen zu halten. Andere Menschen hätten da nur gestört. Sie wären Fremdkörper in einem nach außen abgeschotteten Zirkel gewesen.
    Er riß den Umschlag auf. Es war der Katalog eines Versandhauses. Obschon Veras letzte Bestellungen mindestens ein Jahrzehnt zurücklagen, bekam sie noch regelmäßig Post von ihnen. Auf der Vorderseite waren ein kleiner Junge und ein kleines Mädchen mit der neusten Kollektion abgebildet. Das Mädchen sah entfernt seiner Sandra ähnlich.
    Esterházy warf den Katalog zur Seite.
    – Ende der Rückblende –
    Der Tag hatte optimal mit Sex begonnen. Der Tag sollte mit einem Fiasko ohnegleichen für Herrn Schweitzer enden. Das wußte er bloß noch nicht.
    Momentan befand er sich räkelnd auf dem Bett seiner Liebsten, die schon vor zwei Stunden in aller Herrgottsfrühe aus dem Haus gegangen war, um den Schnellzug nach Koblenz zu erwischen. Ein geschäftlicher Termin war Ursache hierfür.

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