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Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm

Titel: Das Geheimnis vom Kuhhirtenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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Tütt-tütt, tütt-tütt. Immer mehr Leute schauten sich fragend an und um. Aber keiner verlor seine Contenance. Man war schließlich in der Alten Oper und wußte sich zu benehmen. Allerdings blickten nun auch die ersten Musiker von der Bühne ins Publikum herab, was sehr außergewöhnlich war, denn meist gingen sie in ihrer Musik förmlich auf und hatten für Nebensächlichkeiten wie Zuhörer kein Auge.
    Tütt-tütt, tütt-tütt. Herr Schweitzer bekam von Maria einen Tritt verpaßt. Autsch! Was sollte denn das schon wieder? Kann die sich nicht benehmen wie alle anderen? Mir gefällt es doch auch nicht, was hier gerade abläuft. Er guckte ganz böse zurück. Tütt-tütt, tütt-tütt.
    Daraufhin wurde Maria wütend. Mit gefletschten Zähnen und verzerrter Grimasse deutete sie zu seinen Füßen. Ein zweiter Tritt gegen Herrn Schweitzers Schienbein unterstrich ihr Anliegen. Tütt-tütt, tütt-tütt.
    Der Dicke aus der ersten Reihe drehte sich erneut um. Sein Blick besagte, daß er gleich den für den Lärm verantwortlichen Radaubruder bei lebendigem Leib und ohne mit der Wimper zu zucken in Stücke reißen wird. Tütt-tütt, tütt-tütt.
    Erste Unsicherheiten schlichen sich bei Herrn Schweitzer ein. Sein Handy? Hatte er vergessen es auszuschalten? Ein jäher Schrecken durchfuhr ihn. Blut gefror in seinen Adern. Tütt-tütt, tütt-tütt.
    Inzwischen hatte das Signalgeräusch den ganzen Mozartsaal erfaßt. Die ersten Besucher begannen zu tuscheln und blickten sich suchend nach einem Übeltäter um.
    Obwohl sich Herr Schweitzer zu hundert Prozent sicher war, daß es unmöglich sein Handy sein konnte, weil sein Klingelton die Titelmelodie vom Sandmännchen war, bekam er kaum noch Luft. Tütt-tütt, tütt-tütt.
    Die Hitze wurde unerträglich. Er kam sich vor wie in einer 100-Grad-Sauna mit zugemauerter Tür. Nun, da klar war, daß der Signalton unmöglich Bestandteil der Aufführung sein konnte, versuchte Herr Schweitzer ihn zu orten. Er mußte ganz nah sein. Tütt-tütt, tütt-tütt.
    Herr Schweitzer drehte sich nach hinten. Doch was er sah, mißfiel ihm außerordentlich. Sämtliche Blicke waren auf ihn gerichtet, zumindest die derer, die in seiner Nähe saßen. Tütt-tütt, tütt-tütt.
    Mit einer Kraft, die er seiner Freundin nicht zugetraut hatte, wurde er von Maria am Hemdkragen gepackt und herumgerissen. „Dein Wecker“, zischte sie in einer Lautstärke, die eher auf einen Fußballplatz denn in die altehrwürdige Oper paßte.
    „Mein Wecker?“ fragte er zurück. Herr Schweitzer verstand nicht. Tütt-tütt, tütt-tütt. Sein Wecker stand doch zu Hause auf dem Nachttisch und war voller Staub, weil er so gut wie nie gebraucht wurde. Was sollte also der saublöde und unqualifizierte Spruch von wegen seinem Wecker? Tütt-tütt, tütt-tütt.
    Nun sprach ihn auch noch der Fettsack vor ihm direkt an. Was heißt sprach? Er schrie fast: „Wenn Sie nicht sofort ihr Handy ausschalten, schmeiß ich Sie persönlich hochkant aus dem Saal.“
    „Ich hab mein Handy doch gar nicht dabei“, rechtfertigte sich Herr Schweitzer kleinlaut. Tütt-tütt, tütt-tütt.
    Maria hatte sich inzwischen gebückt und drückte ihm nun sein Jackett mit den Worten in die Hand: „Es ist dein Wecker. Er steckt wahrscheinlich in einer der Taschen.“
    Tütt-tütt, tütt-tütt. Herr Schweitzer fühlte sich, als habe ihn gerade jemand ein Messer ins Herz gerammt. Seine Atmung stand still. Die Wirklichkeit erreichte ihn mit dem Wunsch nach sofortiger Selbstauflösung in Salzsäure. Ein geordneter Rückzug war unmöglich geworden. Hektisch griff er in die erste Tasche. Dort steckte sein Schlüsselbund. Tütt-tütt, tütt-tütt. Die zweite Tasche: sein Portemonnaie.
    Maria wollte ihm helfen. Unsanft stieß Herr Schweitzer ihre Hand zurück. Die nächste Tasche: leer. Verdammte Scheiße, wie viele Taschen hat denn das blöde Jackett noch? Tütt-tütt, tütt-tütt.
    Und dann konnte Herr Schweitzer das fast quadratische Teil ertasten. Allerdings war es mit dem Stoff seines Jacketts ummantelt. Mist! Wo ist bloß die verfluchte Tasche? Wie komme ich an den Wecker? Tütt-tütt, tütt-tütt.
    „Wird’s bald?“ zischte seine Maria. Ihre Stimme war frei von Liebe.
    Von hinten tippte ihm jemand auf die Schulter.
    Zitternd drehte sich Herr Schweitzer in der Erwartung um, gleich ein Brett zu fangen.
    Doch der distinguierte Herr im hellgrau oszillierendem Zweiteiler mit rotem Tüchlein um den Hals sprach mit Engelsstimme auf ihn ein: „Wären Sie bitte so nett

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