Das Geheimnis von Compton Lodge
versicherte sich Holmes und Jeffries bejahte. Das stete Geräusch der auf die Küste treffenden Wellen bildete eine seltsam anmutende Untermalung des Gesprächs.
»Mr. Jeffries, ich hätte noch ein paar Fragen zu dem besagten Wochenende auf Compton Lodge, an dem die Erbschaftsangelegenheit geregelt werden sollte. Mich würden ein paar Details interessieren, die wir in der Baker Street nicht mehr ansprechen konnten.«
»SchieÃen Sie los!«
»Sie hatten gesagt, Sir Edward habe einen zufriedenen Eindruck auf Sie gemacht, nachdem er am Abend angekündigt hatte, das gesamte Erbe Dr. Watson zuzusprechen.«
»Ja, er war ungewöhnlich entspannt, trank beinahe genüsslich seinen Kaffee und lieà sogar noch einmal Holz nachlegen.«
»Und am nächsten Morgen nach dem Verschwinden des Doktors? Wie hat er reagiert?«
»Er ging erst davon aus, dass es sich um einen schlechten Scherz seines Enkels handelte.«
»Und die Vergabe des Erbes?«
»Er entschied schlieÃlich, es der Kirche zu übereignen, als offensichtlich wurde, dass sich sein Enkel allem Anschein nach der Aufgabe nicht stellen wollte. Keiner der drei habe sich als würdiger Nachfolger erwiesen. Die beiden Streithähne nicht und John ebenso wenig. Dem Jungen, also Ihnen, Doktor, fehle die Ernsthaftigkeit.«
»Also fiel das gesamte Vermögen an die Kirche?«
»So ist es.«
»Haben Sie eine Ahnung, warum der gesamte Besitz heute brach liegt? Was hat die Kirche dazu veranlasst, keinen Gebrauch mehr davon zu machen?«
Holmes erhob sich vom Tisch, seine Fingerkuppen hatte er aneinandergelegt. Dabei blickte er Andrew Jeffries an und sprach weiter, da dieser nicht antwortete.
»Halten Sie es für möglich, dass ein Fluch über Compton Lodge liegt?«
Der ehemalige Privatsekretär reagierte erst nicht, schlieÃlich nickte er leicht, dann immer bestimmter, bis er endlich Worte fand. Der Ton seiner Stimme klang alarmiert, ängstlich.
»Ja. Oh Gott, ja. Dieser Ort ist verflucht. Selbst die Kirche hat den Besitz nicht mehr nutzen wollen.«
Der panische Blick unterstrich deutlich, was in ihm vorging. Ich wollte schon den Brandy holen, doch Holmes gab mir ein Zeichen, noch zu warten.
»Sie sind ein Mann des Glaubens?«, fragte er ihn scharf.
Jeffries begann zu zittern und brachte kein Wort heraus. SchlieÃlich sackte er kraftlos in sich zusammen. Ich war aufgesprungen und versorgte den vollkommen entkräfteten Mann.
»Vor wem haben Sie Angst?«, insistierte mein Gefährte, »vor wem?«
»Holmes! Er braucht Ruhe.«
»Vor wem?«, setzte er mit strengem Ton nach.
»Sie, ich, nein ⦠oh Gott, Pyrrhocorax pyrrhocorax, nehmen Sie sich in Acht, Pyrrhocorax pyrrhocorax!«
Was sollte der Hinweis auf einen Vogel? Wenn mich meine Kenntnisse nicht trogen, handelte es sich dabei um eine Alpenkrähe. Holmes ging zu Jeffries und sprach ihm gut zu. Dann bat er mich kurz mitzukommen.
»Geben Sie mir ein paar Minuten.«
»Ich warte drauÃen, Watson. Wir müssen zurück nach Canterbury, und zwar noch heute Abend.«
Die Tür fiel zu und ich blieb mit Jeffries und meinen wirren Gedanken allein. Was für eine Rolle spielte diese Alpenkrähe? Der ehemalige Privatsekretär war in irgendeiner Weise in die Sache verstrickt. Ich setzte ihn in seinen Lehnsessel, holte eine warme Decke und flöÃte ihm erneut Brandy ein. Als ich endlich das Haus verlieÃ, fand ich Holmes, den Blick aufs Meer gerichtet, eine Zigarette rauchend.
»Siebzehn Minuten, mein Lieber, siebzehn Minuten«, sagte er kopfschüttelnd, »ich hätte es nicht so dringlich gemacht, aber es ist absolut notwendig.«
Wir hatten Glück, denn es gelang uns, einen Hansom anzuhalten und so den letzten Zug nach Canterbury noch rechtzeitig zu erreichen. Im Abteil wollte ich von meinem Begleiter aufgeklärt werden, was denn so ungemein Bedeutendes vor uns lag. Er deutete an die Decke, legte sich quer auf die Sitzbank und zog seine Schirmmütze ins Gesicht.
»Watson, wir müssen so schnell wie möglich nach Compton Lodge. Jeffries wird eine gewisse Zeit brauchen, um seine Glaubensbrüder zu informieren.«
»Glaubensbrüder? Der Mann ist im Ruhestand und nicht in bester physischer Verfassung. AuÃerdem kann er in seinem augenblicklichen Zustand nichts unternehmen.«
»Er wird Mittel und Wege finden, damit seine Warnung schnell zu den
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