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Das Geheimnis von Digmore Park

Das Geheimnis von Digmore Park

Titel: Das Geheimnis von Digmore Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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vor. Na und? Was in aller Welt kümmerte es sie, welchen Eindruck er von ihr hatte? Keine Dame von Stand scherte sich um die Meinung eines Stallmeisters. Diener waren ungebildet, von niederer Herkunft und hatten froh zu sein, überhaupt in Dienst genommen zu werden. Nichtsdestotrotz ließ sich Mr. Michaels‘ spöttisches Lächeln nicht aus ihren Gedanken vertreiben. Sie glaubte nicht, dass er ungebildet war. Natürlich war er von niederer Herkunft, sonst wäre er kein Stallmeister geworden. Wäre es nicht zu lächerlich gewesen, einen Stallburschen elegant zu nennen, so hätte sein Reitstil dazu allen Anlass gegeben. Elizabeth stand auf und strich ihre Röcke glatt. Sie hatte sich unmöglich benommen und würde doch keine Ruhe finden, wenn sie sich nicht noch einmal mit Mr. Michaels unterhielt. Sie würde also in ihr Zimmer hinaufgehen, sich etwas Hübscheres anziehen und dann noch einmal hinaus zur Koppel gehen. Was hatte sie da eben gedacht? War sie von allen guten Geistern verlassen? Sie wollte doch nicht, dass ihr Stallmeister sie anziehend fand. Sie wollte, dass er erkannte, dass sie eine gerechte Herrin war, die kluge Entscheidungen traf. Die es zu schätzen wusste, wenn ein Diener vollen Einsatz für Portland Manor brachte. Vor dem goldgerahmten Spiegel neben der Zimmertür blieb sie stehen. Sie würde Mr. Michaels finden, stolz vor ihn hintreten, aufrecht und mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen. Sie würde sich bei ihm bedanken, dass er es in den wenigen Tagen, die er hier war, geschafft hatte, nicht nur die Gärten wieder in einen gepflegten Zustand zu versetzen, sondern auch mit Hirn und Sachverstand die Betreuung der Pferde zu übernehmen. Sie warf sich einen aufmunternden Blick zu und begann dann, wie von selbst, das Lächeln zu üben, mit dem sie Mr. Michaels entgegentreten wollte. Waren die nach oben gezogenen Mundwinkel zu freundlich? Vielleicht sollte sie eher huldvoll lächeln? Wie bitte lächelte man huldvoll? Wie stolz und erhaben? So dankbar sie Mr. Bishop auch war, ihr diesen Stallknecht vorbeigebracht zu haben, so kompliziert war seitdem ihr Leben geworden.

    Als Elizabeth mit der Ankündigung, beim Lunch erwartet zu werden, ins Haus zurückgekehrt war, ergriff Frederick Dewary die Zügel, um Jupiter in den Stall zurückzubringen. Wenn alles seinem Befehl gemäß erfolgte, dann würde Joseph bereitstehen, um das Tier in Empfang zu nehmen und nach dem ausgiebigen Ritt ordnungsgemäß abzureiben. Der Major hegte keinen ernsthaften Zweifel, dass es so sein würde. Es war viel geschehen in den letzten drei Tagen, nur eines hatte sich nicht verändert. Seine Ansicht über Miss Porter. Stolz, aber auch amüsiert, gratulierte er sich zu seiner Menschenkenntnis. Er hatte die Dame vom ersten Anblick an richtig eingeschätzt. Um genau zu sein, er hatte schon gewusst, wie die Dame sein würde, bevor er sie überhaupt kannte. Eine Frau, die einen Landsitz wie diesen hier leitete! Die konnte doch gar nichts anderes sein als eine herrische alte Jungfer, die es gewohnt war, Befehle zu erteilen, und mochten diese noch so absurd sein. Es irritierte ihn jedoch, dass sie so gar nicht seinen Vorstellungen einer alten Jungfer entsprach. Solche Frauen hatten im Allgemeinen kein so hübsches, ebenmäßiges Gesicht und keine strahlend blauen Augen. Wie sehr sie doch Abigail ähnelte – blond, blauäugig und eiskalt. Aber noch während er dieses harte Urteil fällte, wusste er tief in seinem Inneren, dass er Miss Porter zu wenig kannte, um auszuschließen, dass er ihr vielleicht Unrecht tat.
    Vor den Stallungen kam ihm Joseph bereits entgegen. „Ich bin schon da, wie Sie es gesagt haben, Mr. Michaels. Miss Porter hat Sie gesucht, Sir.“ Dewary übergab ihm die Zügel. „Wir haben bereits miteinander gesprochen.“
    Joseph sah ihn überrascht an. Diese Worte klangen wenig begeistert. Der Bursche hatte das Gefühl, seine Lady verteidigen zu müssen: „Sie ist eine gute Herrin, die Miss Porter, das muss man ehrlich sagen. Immer freundlich und gerecht. Habe noch nie eine Frau erlebt, die so tüchtig ist, finden Sie nicht auch, Sir?“
    Der Eifer, mit dem er gesprochen hatte, erstaunte Dewary. Wie kam es, dass der Bursche eine so ganz andere Meinung von Miss Porter hatte als er?
    „Wenn ich mit Jupiter fertig bin, darf ich dann zum Lunch, Mr. Michaels? Die Köchin wird in wenigen Minuten läuten, nehme ich an.“
    „Wenn du fertig bist, gehen wir gemeinsam in die Küche. Lass dir Zeit und erledige deine

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