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Das Geheimnis von Digmore Park

Das Geheimnis von Digmore Park

Titel: Das Geheimnis von Digmore Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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nicht darauf verlassen können, dass er nicht doch, vom Bier ermutigt, das ungeheuerliche Geheimnis ausgeplaudert hätte, seine Herrin habe sich mit einem Geldverleiher getroffen. Ihre Gedanken kehrten zu Mr. Michaels zurück. Ihn zu bitten wäre wohl doch die einzig richtige Lösung gewesen. Es verwunderte sie selbst, dass sie zu diesem Mann, den sie kaum kannte, mehr Vertrauen hatte als zur langjährigen Dienerschaft. Mit einem Ruck straffte sie entschlossen die Schultern. Die Pferde wieherten erschrocken auf, als sie so ungewollt streng die Zügel anzog. Sie befanden sich nun schon am Hafen. Das Meer lag vor ihr, unruhig und grau. Eine große Barkasse war mit dicken Seilen am Pier vertäut, und unter Schreien und Fluchen rollten muskulöse Männer schwere Fässer über den hölzernen Steg an Bord. Zwei Möwen ließen sich kreischend auf der Reling nieder. Daneben lag ein elegantes Segelboot vor Anker, das rötliche Mahagoniholz glänzte in der nachmittäglichen Sonne. Der Mann dort vorne, mit dem großen Leiterwagen, der sah von allen Leuten hier noch am ehesten vertrauenerweckend aus. Ihr Herz klopfte bis zum Hals, als sie sich hinunterbeugte, um ihn anzusprechen.
    „Können Sie mir bitte weiterhelfen, guter Mann? Wie finde ich das Gasthaus ‚Zum lachenden Kapitän’?“
    Der Alte verzog angewidert das Gesicht und spuckte vor ihr auf den Boden. „Find den Weg doch selbst, du Hure, und scher dich zum Teufel!“
    Elizabeth war fassungslos. Noch nie hatte jemand in einem so verächtlichen Tonfall mit ihr gesprochen! War man denn als Frau ohne Begleitung tatsächlich rechtlos? Nie wieder würde sie sich alleine, ohne jede Anstandsdame, aus dem Haus begeben! Ein löblicher Vorsatz, allein, in diesem Augenblick nutzte er wenig. Sie musste noch sechs andere Leute ansprechen, bevor ihr endlich ein junger Mann den richtigen Weg wies.
    Sie erreichte das Gasthaus zehn Minuten nach der vereinbarten Stunde und lenkte ihr Fahrzeug in den Innenhof. Aufatmend stellte sie fest, dass der Geldverleiher bereits auf sie wartete. Er lehnte an der Außenmauer, das angewinkelte Bein an der Mauer abgestützt. Elizabeth war erleichtert, an diesem Mann war auf den ersten Blick nichts Erschreckendes. Was hatte sie denn erwartet? Einen Piraten mit Augenklappe vielleicht? Es war schon erstaunlich, welch absurde Ideen aus Furcht geboren wurden. Der Geldverleiher sah mit seinen ausgebeulten, aber durchaus ordentlichen braunen Kniehosen und einem mausgrauen Jackett eher aus wie ein biederer Kaufmann. Ein schlichter brauner Hut vervollkommnete das Bild. Wie alt mochte er wohl sein? Von weitem hielt sie ihn für Anfang vierzig. Anscheinend war er allein gekommen. Das nahm Elizabeth als gutes Vorzeichen. Mit einem Mann konnte sie es noch aufnehmen. Sie brachte die Kutsche zum Stehen. Der Mann sah noch keinen Grund, seine Hände aus den Hosentaschen zu nehmen. War die seltsame schwarze Gestalt auf dem Kutschbock seinetwegen hier? Vielleicht fand in der Nähe ja bloß ein Begräbnis statt. Tote gab es hier in der Gegend genug. Allein das Meer forderte seine Opfer, dann auch noch der vermaledeite Krieg … Sieh einer an: Da prangte doch tatsächlich das Wappen der Portlands auf dem Wagenschlag! Das hieß also, die verschleierte Gestalt kam tatsächlich, um ihn zu treffen. Wer steckte hinter der Verkleidung? Doch wohl hoffentlich nicht der junge Portland selbst! Die vornehmen Stutzer kamen ja manchmal auf die seltsamsten Ideen! Langsam ging er näher und sah neugierig zu, wie sich die verschleierte Person erhob und behände vom Kutschbock stieg. Noch wusste er nicht, ob es sich tatsächlich um eine Dame handelte. Also sah er keine Veranlassung, ihr dabei zu helfen.
    Elizabeth musterte den Mann, der nun kaum drei Meter entfernt vor ihr stehen geblieben war. Er war klein und untersetzt, sein Gesicht war von der Sonne gebräunt, und eine tiefe Narbe an der rechten Wange zeugte davon, dass er irgendwann einmal in einen Kampf verwickelt gewesen sein musste. Er hatte die Mütze abgenommen und entblößte nun einen kahlrasierten Schädel. Aus der Nähe betrachtet, fand sie ihn lange nicht mehr so vertrauenerweckend. Wie konnte man mit so einem Menschen überhaupt Geschäfte machen? Das war doch von Anfang an abzusehen, dass das nicht gut gehen konnte. Lord Linworth war entweder dümmer, als sie gedacht hatte, oder seine finanzielle Notlage war schier unerträglich gewesen. Je schneller sie hier wieder wegkam, desto besser.
    „Sie sind Mr.

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