Das Geheimnis von Digmore Park
Ich erzähle dir alles … zumindest das Wichtigste … wenn wir uns das nächste Mal sehen.“
Es fiel dem Burschen sichtlich schwer, sich weitere Fragen zu verkneifen und stattdessen die Zügel zu ergreifen. Etwas wollte er allerdings doch noch wissen.
„Irgendwelche Besonderheiten, was den Gaul betrifft?“
„Das Pferd ist etwas ungestüm, also sieh dich vor. Verrichte deine Aufgaben wie besprochen. Ich erwarte dich genau in einer Woche am vereinbarten Ort. Beeile dich, du hast einen weiten Weg vor dir.“
Charlie hob die Hand zur Mütze, murmelte einen Abschiedsgruß und tat, wie ihm geheißen.
In das Klappern der Hufe mischte sich lautes Stöhnen. Kein Zweifel, Mr. Nuckels kam wieder zu sich. Dewary hielt es für angebracht, keine Zeit mehr zu verlieren. „Ihre Hand, Miss Porter.“
Mit einer einladenden Geste bedeutete er Elizabeth, dass er ihr in die Kutsche helfen wollte. Sie ließ ihn gern gewähren, nahm Platz und zog sich den schwarzen Schleier wieder über den Kopf.
Währenddessen rappelte Mr. Nuckels sich mühsam hoch. Etwas Weißes lag vor ihm auf dem lehmigen Boden des Innenhofes, und mit einem Schlag wurde Elizabeth der eigentliche Grund ihres Hierseins bewusst. „Dort, das Blatt Papier!“ Sie zeigte auf Mr. Nuckels Schuhspitzen. „Mr. Michaels, Vorsicht, er kommt wieder zu Bewusstsein. Versuchen Sie doch, das Papier aufzuheben, es ist ungeheuer wichtig!“
Der Geldverleiher war nun wieder auf den Beinen, noch etwas benommen, aber doch bereit für den nächsten Kampf, wie das Blitzen in seinen Augen zeigte. Herausfordernd stellte er seinen Fuß auf das Papier und ballte die Fäuste. „Na, komm schon, Bürschchen, wenn du dich traust! Noch einmal wirfst du Mr. Nuckels nicht zu Boden.“
Die vorschnellende rechte Gerade des Majors strafte diese Worte umgehend Lügen. Und ein zweites Mal an diesem frühen Abend sank Mr. Nuckels in sich zusammen wie ein nasser Sack. Dewary hob seelenruhig das Bein des Geldverleihers ein wenig an, zog das Blatt darunter hervor und steckte es in seine Rocktasche. Dann stieg er auf den Kutschbock und griff nach den Zügeln. Mit einem leisen Pfeifen wendete er die Rappen und führte sie in ruhigem Schritt aus dem Hof des Wirtshauses hinaus.
Sie schwiegen, bis sie die Stadtmauern von Southampton hinter sich gelassen hatten. Dann nahm Elizabeth den Schleier wieder ab und legte ihn sich über die Schultern. „Mr. Michaels, ich denke, ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig.“
Er blickte sie über die Schulter an. „Geldsorgen, Miss Porter?“
„Sie wundern sich sicherlich, mich an so einem ungewöhnlichen Ort … was haben Sie gesagt? Woher wissen Sie das?“
Dewary zuckte mit den Schultern. „Der Mann sah aus wie ein Blutsauger, wenn Sie mich fragen.“ Er hielt erschrocken inne. Eine Stunde in Charlies Gesellschaft, und er hörte sich schon an wie sein Bursche. Inzwischen benahm er sich wie ein richtiger Stallmeister!
„Es ist nicht so, wie es scheint!“, beeilte sie sich zu erklären. Ihr lag sehr viel daran, dass er nicht schlecht über sie dachte. Doch es war so schwer, sich vor ihm zu verteidigen, wenn er ihr den Rücken zudrehte.
„Bitte halten Sie an!“
Doch Dewary dachte gar nicht daran, zu gehorchen. Je schneller sie nach Portland Manor zurückkamen, desto besser. Mit dem Pferd hätte er querfeldein reiten können, so jedoch war er auf die Poststraße angewiesen. Jeden Augenblick konnte ihnen ein Wagen entgegenkommen, und ein bekanntes Gesicht auf dem Kutschbock konnte entgeistert seinen Namen rufen …
„Anhalten!“, befahl Elizabeth noch einmal.
Er seufzte und zog die Zügel straff. „Und was belieben Mylady jetzt zu tun?“, fragte er, als die Kutsche stand.
„Jetzt helfen Sie mir bitte heraus, Mr. Michaels. Ich steige zu Ihnen hinauf!“
Dewary schüttelte lachend den Kopf. „Sie steigen zu mir auf den Kutschbock? Was bitte soll das für einen Sinn haben? Misstrauen Sie etwa meinen Fahrkünsten?“ Seinem Lachen entnahm sie, dass er selbst nicht ernst meinte, was er da sagte.
„Ich möchte mich mit Ihnen unterhalten, und das kann ich nicht, wenn ich ständig Ihren Rücken anstarren muss.“
Er sprang ab, half Elizabeth aus dem Wagen und auf den Kutschbock hinauf und sagte dann: „Also, da bin ich mal gespannt. Was gibt es so Wichtiges zu besprechen?“
Er lächelte ihr so aufmunternd zu, dass ihr wieder einmal ganz warm ums Herz wurde. Freudestrahlend und ohne jede Scheu lächelte sie zurück. Ihr Lächeln traf Dewary
Weitere Kostenlose Bücher