Das Geheimnis von Ella und Micha: Ella und Micha 1 - Roman (German Edition)
und wickelt seine Hand mit Küchenpapier ein. »Siehst du? So gut wie neu.«
»Das kann sich trotzdem noch entzünden.« Ich stelle den Erste-Hilfe-Kasten auf die Arbeitsfläche. »Lass mich mit dir zum Arzt fahren.«
Für einen Moment starrt er mich mit schmerzerfüllten Augen an. »Gott, du siehst ihr so ähnlich. Es ist fast schon verrückt …« Mehr sagt er nicht. Er schlurft ins Wohnzimmer, wo kurz darauf der Fernseher angeht. Zigarettenqualm wabert durch die offenen Türen in die Küche.
Gefühle, die ich sorgsam vergraben hatte, treten an die Oberfläche, als ich den Verbandskasten wieder wegstelle. Ich drehe meine Musik lauter, damit sie den Schmerz übertönt, und nehme mir den Abwasch vor. In meiner Tasche vibriert das Handy, und ich wische mir die Hände an einem Geschirrtuch trocken, bevor ich nach meinen Nachrichten sehe. Da ist die Mailboxnachricht von Micha gestern, die ich bisher nicht abgehört habe, und eine neue SMS von ihm.
Die SMS scheint mir die harmlosere von beiden. Meine Hand zittert, als ich sie wieder und wieder lese. Schließlich antworte ich, werfe das Handy auf den Tresen und konzentriere mich auf das Putzen, weil es das Einfachste ist. Und ich will es einfach haben.
MICHA
Ich stürme in Ellas Haus. Etwas ist passiert, wahrscheinlich wegen ihrem Arschloch von Bruder. Ella schrubbt die Küchenoberflächen mit derselben Inbrunst, mit der ein Drummer ein Solo schmettert. Ihr Haar ist nach hinten gebunden, doch einzelne Strähnen haben sich aus dem Zopf befreit und hängen ihr lose um das Gesicht. Das Radio ist sehr laut gestellt, deshalb bemerkt sie nicht, dass ich hereinkomme. Ich nähere mich ihr von hinten, möchte sie zu gerne anfassen, aber stattdessen drehe ich die Musik leiser.
Ella lässt das Küchenpapier fallen, das sie in der Hand hat, und fährt herum. »Du hast mich zu Tode erschreckt!« Sie greift sich an die Brust. »Ich habe dich nicht kommen gehört.«
»Ja, das ist offensichtlich.« Ich sehe in ihre grünen Augen, die furchtbar elend wirken.
Ella stapelt Teller auf und trägt sie zu einem Schrank, bevor sie wieder zur Spüle geht. Wegen irgendetwas ist sie angespannt, da ist zu viel Energie in ihr. Ihre Mom war oft so, aber Ella ist nicht ihre Mom, auch wenn sie es nicht begreifen will.
Ich nehme ihr die Teller ab und stelle sie in die Spüle. »Verrätst du mir, was dich so aus der Fassung gebracht hat?«
Sie tippt sich mit den Fingern seitlich an die Oberschenkel und schüttelt den Kopf. »Ich hätte dir nie diese SMS schicken sollen. Ich weiß nicht, wieso ich das gemacht habe.«
Sie fängt an, sich von mir abzuwenden, doch ich packe sie am T-Shirt-Saum. »Ella May, hör auf, mit mir zu reden, als wären wir Geschäftspartner! Ich kenne dich besser als irgendjemand sonst, und ich sehe es dir an, wenn du unglücklich bist.«
»Ich sagte doch, mir geht’s gut.« Ihre Stimme ist angespannt, als würde sie mit den Tränen kämpfen. Sie hat sich noch nie erlaubt, einfach loszuheulen, nicht mal als ihre Mom starb.
»Nein, tut es nicht.« Ich ziehe sie an den Schultern zu mir. »Und du musst es rauslassen.«
Sie starrt auf den Fußboden. »Kann ich nicht.«
Ich winkele einen Finger unter ihrem Kinn an und hebe ihren Kopf leicht, sodass sie mich ansehen muss und ich in ihre Augen blicken kann. »Doch, kannst du. Was in dir tobt, bringt dich um.«
Ihre Schultern beben, und sie lässt den Kopf an meine Brust sinken. Ich streiche ihr über den Rücken und sage ihr, dass es okay ist. Das ist nicht viel, aber für den Moment reicht es.
Schließlich weicht sie zurück. Ihre Miene ist wieder verschlossen. »Wo ist Lila?«
»Ich habe sie bei Ethan in der Werkstatt gelassen.« Ich setze mich an den Küchentisch, auf dem sich ungeöffnete Rechnungen stapeln. »Sie will wieder herkommen, wenn ihr Wagen fertig ist.«
Ella sieht gedankenverloren zum Fenster. »Sie kann auch direkt nach Hause fahren, wenn Ethan fertig ist. Sie muss gar nicht wieder hierherkommen.«
»Wo wohnt sie eigentlich?«
»In Kalifornien.«
»Dann sollte sie vielleicht nicht heute Abend noch losfahren.« Ich sehe durchs Fenster zu den Hügeln, hinter denen die Sonne versinkt. »Es ist spät, und sie ist alleine unterwegs, oder nicht?«
Ella nickt abwesend und zwirbelt eine Haarsträhne mit ihrem Finger auf. »Und ich mache mir Sorgen, sie überhaupt allein fahren zu lassen. Ich meine, sie ist praktisch ausgeflippt, als wir Grantford bei dem Rastplatz am See getroffen haben.«
Unwillkürlich
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